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Mit einem Fuß im Himmel

Mit einem Fuß im Himmel

Titel: Mit einem Fuß im Himmel
Autoren: Marie Louise Fischer
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zuverlässiger Mensch, zugegeben, aber in Gabrieles Augen doch nichts weniger als ein Typ für Frauen, und gerade das war das Beruhigende an ihm.
    Gabriele wandte sich wieder dem Büroraum und ihrer Kollegin Monika zu und sagte: »Fix! Mach dich fertig! Draußen ist herrliches Wetter!«
    »Moment! Ich bin gleich soweit!« antwortete Monika und lief schnell noch einmal aus dem Zimmer.
    Gabriele öffnete die Tür zu der kleinen Waschnische, knipste das Licht über dem Spiegel an und betrachtete sich prüfend, während sie Wasser laufen ließ und zur Seife griff. Sie war ein bezauberndes kleines Persönchen mit strahlenden braunen Augen, die kindlich und unschuldig in die Welt schauten. Ihr feines Näschen hatte einen optimistischen Schwung nach oben, und wenn sie lachte, zeigte sie blitzweiße Perlzähne. Gabriele hatte allen Grund, mit ihrem Äußeren zufrieden zu sein, und sie war es auch. Rasch trocknete sie die Hände ab, kämmte die braunen Locken, schlüpfte in ihren Regenmantel und setzte die Baskenmütze aufs Ohr. »Bist du nun endlich soweit, Monika?« fragte sie ihre Kollegin, die inzwischen wieder ins Zimmer gekommen war.
    »Na klar! Wir können!« gab Monika munter zurück.
    Nebeneinander verließen die beiden Mädchen das Büro, liefen, fröhlich nach links und rechts grüßend, die breite geschwungene Treppe hinunter und standen dann draußen im hellen Sonnenschein.
    Acht Stunden am Tag arbeiteten Gabriele und Monika als Sekretärinnen bei der Fortuna Lebensversicherungsgesellschaft a. G., die ihre Räume in einem riesigen, modernen Bürohaus in der Alleestraße hatte. Beide fanden, daß es ein herrliches Gefühl sei, die Arbeit für viele Stunden wieder einmal hinter sich lassen zu können, aus den nüchtern schattigen Bürozimmern hinauszutreten in den warmen goldenen Frühlingssonnenschein.
    Die Mädchen sahen einander aufatmend an.
    »Wollen wir noch eine Tasse Kaffee zusammen trinken?« schlug Monika vor. »Bestimmt kann man heute schon draußen sitzen!«
    Gabriele stimmte zu, und sie schlängelten sich durch die Menge der Menschen, die um diese Zeit alle ihre Arbeitsstätten verließen und nach Hause drängten, zum Corneliusplatz.
    »Guck mal, die Schwäne!« machte Monika ihre Kollegin aufmerksam.
    »Gott, sind die hübsch!« rief Gabriele. »So elegant! Schade, daß wir nichts zum Füttern dabei haben!«
    »Morgen bring ich was mit«, nahm sich Monika vor.
    »Das hast du bis zum Abend bestimmt selber aufgegessen!« lachte Gabriele.
    Eine Weile standen sie noch über das Geländer gebeugt und beobachteten die weißen und schwarzen Schwäne, die anmutig und selbstsicher ihre Bogen über den Stadtgraben zogen. Möwen flogen kreischend hoch, schossen nieder und versuchten, einen Anteil an den Brotstücken, die zu den Schwänen hinuntergeworfen wurden, zu erhaschen.
    »Sind die frech!« empörte sich Monika.
    »Was willst du!? Sie müssen ja auch leben!« gab Gabriele zu bedenken.
    Dann trennten sich die beiden von dem hübschen Anblick und begannen, gemächlich die Königsallee hinaufzuschlendern. Vor jedem Schaufenster blieben sie stehen, um die Auslagen zu begutachten.
    Jeder hätte Gabriele für eine typische Düsseldorferin gehalten, eines jener schicken und lebenslustigen Mädchen, wie sie der Stadt am Rhein ihr Gepräge geben — und doch wäre dies weit gefehlt gewesen. Gabriele war eine waschechte Sächsin — der Kenner hätte es leicht an ihrer unwahrscheinlich durchsichtigen und zarten Haut erraten, auf die die schönen Sächsinnen mit Recht so stolz sind —, ihrer Sprache jedoch fehlte jeder sächsische Akzent, und Gabriele dankte neben dem Himmel vor allem ihrer strengen Tante Ottilie dafür, die sich soviel Mühe gegeben hatte, ihr ein reines Hochdeutsch beizubringen.
    Kaum ein Jahr war es her, seit Gabriele aus Sachsen gekommen war, mit einer Empfehlung ihrer Tante Ottilie an Till Torsten, den Sohn eines geliebten Jugendfreundes.
    Sie hatte Glück gehabt, oder vielmehr die Voraussagen ihrer Tante Ottilie waren eingetroffen. Till Torsten war von ihrem Charme, der selbst den verknöchertsten Schalterbeamten zerschmelzen ließ, berückt gewesen. Er hatte ihr mit Geld und guten Ratschlägen unter die Arme gegriffen, ein möbliertes Zimmer bei Fräulein Emilie Leisegang verschafft, und nicht lange hatte es gedauert, bis Gabriele eine angenehme und gut bezahlte Stellung bei der Fortuna Lebensversicherung fand. Vor wenigen Monaten nun hatte sie sich mit Till Torsten verlobt, jetzt stand sie
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