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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen
Autoren: Daniela Matijevic
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selbst auf einem der »heiligen« Plätze - da durfte ich nicht enttäuschen. Dem besten Soldaten eines jeden Hörsaals winkte eine Fleißbeförderung zum Hauptgefreiten, bevor dann zwei Wochen später die Beförderung zum Unteroffizier folgte. Wenn das kein Anreiz war …
    Ich war hoch motiviert, büffelte konzentriert für jede Klausur, legte mir sogar Mind Maps an und entwickelte einen Ehrgeiz, den ich vor dem Abitur zum Leidwesen meiner Eltern sehr hatte vermissen lassen. Dass am Ende doch ein anderer befördert wurde, lag vermutlich daran, dass meine Zimmerkameradin Laura, eine etwas herbe Bayerin mit lautem Organ, und ich auf der Zielgeraden das Feiern allzu ausgiebig kultiviert hatten. Zwar konnten wir vor der Prüfung bis ins Detail erklären, was Remain Over Night hieß, aber ebenso gut waren wir darin, den genauen Inhalt einer »Goaßnmaß« wiedergeben zu können.
    Nach wenigen Wochen in München verstand ich auch, wieso einige der Kameraden meiner Stammeinheit die Sanitätsakademie als »größten Puff Deutschlands« bezeichnet hatten. Zwar war mir eine meiner Kameradinnen, die es sehr bunt trieb, noch lebhaft im Gedächtnis, dennoch fand ich die Bezeichnung »Puff« übertrieben und nicht passend.
    Während meiner Zeit bei der Bundeswehr allgemein und besonders an der Akademie in München musste ich aber immerhin
feststellen, dass viele Frauen, die sich als Zeitsoldatinnen verpflichtet hatten, die Bundeswehr in erster Linie als Eheanbahnungsinstitut betrachteten. Wirklich sonderbar, wie viele meiner Kameradinnen dort nach dem Mann fürs Leben suchten …
    Nach den drei Monaten in München wurde ich erneut versetzt, gehörte nun einem Team an, das sieben Monate lang die Wanderausstellung »Unsere Luftwaffe« zu betreuen hatte. Ich sollte die Sanitätstruppe repräsentieren und den Ausstellungsbesuchern Rede und Antwort stehen. Die absonderlichen Fragen der Zivilisten erstaunten mich, und ich merkte gar nicht, welche Kluft sich da plötzlich aufgetan hatte: Schleichend hatte sich in mir das Gefühl festgesetzt, nicht mehr zur zivilen Welt zu gehören. Die Reise mit der Ausstellung führte uns hauptsächlich durch kleinere Städte wie Mettmann, Warstein oder Ibbenbüren, aber, zu meiner großen Freude, auch nach Berlin.
    Nach Ablauf dieser wunderschönen sieben Monate folgte für den Rest der vier Jahre, zu denen ich mich verpflichtet hatte, die Versetzung in meine letzte Stammeinheit - nach Diepholz. In der dort stationierten Hubschrauberstaffel durfte ich bis zum Ende meiner Dienstzeit endlich das tun, was ich am besten konnte: Wissen weitergeben. Ich war inzwischen Stabsunteroffizier und als Ausbildungsfeldwebel verantwortlich für die Aus-und Weiterbildung von eintausendachthundert Soldaten.

Stolz
hebt
und lässt einen
aufrecht gehen.
Nur zärtlich in den Arm nehmen,
das kann er nicht.
    2.
    Es war ein Mittwoch im Juni 1999, als ich erfuhr, dass ich im Kosovo eingesetzt werden sollte.
    Die Unruhen in der jahrzehntelang umkämpften Region hatten sich verstärkt, als die serbische Regierung im Jahr 1989 die Autonomie der Provinz Kosovo aufhob, was letztlich den Zerfall Jugoslawiens einläutete.
    Nach dem Tod des autoritären Staatspräsidenten Tito im Jahr 1980 hatten sich aus Jugoslawien mehrere Regionen abgespaltet. So geriet Bosnien-Herzegowina bald zum Großteil unter muslimischen Einfluss, ebenso Albanien, Kosovo, Montenegro, während Kroatien überwiegend von Katholiken bestimmt wurde und Serbien von griechisch-orthodoxen Kräften. Der Hass der einzelnen Ethnien aufeinander war ständig präsent und führte immer wieder zu kleinen und größeren Auseinandersetzungen - bis die Situation dann 1989 eskalierte und die internationale Staatengemeinschaft endlich ihr Augenmerk auf die Region im Südosten Europas richtete.

    Nachdem die NATO 1995 zunächst in den Bosnien-Krieg eingegriffen hatte, kam es trotz der in Bosnien und Herzegowina stationierten Truppen immer wieder zu Kämpfen und Unruhen, bei denen Serben und Albaner aufeinanderstießen. Nachdem die Region zwischenzeitlich so gut wie befriedet werden konnte, entfachten im Januar 1999 wieder Kämpfe zwischen der serbischen Miliz und der kosovarischen Befreiungsarmee UÇK auf. Als die Friedensgespräche, zu denen sich die Kriegsparteien bewegen ließen, endgültig scheiterten, beschloss die NATO, im Kosovo militärisch einzugreifen. Der Kosovokrieg dauerte vom 24. März bis zum 10. Juni 1999, und der erzwungene Frieden sollte durch die
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