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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen
Autoren: Daniela Matijevic
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Befehlsempfängerin degradiert. Denken war in meiner Position nicht gefragt, sondern gehorchen und ausführen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Vorausbildung irgendwie hinter mich zu bringen. Zum Glück hatte ich nur noch anderthalb Wochen in Hammelburg vor mir. Und die überlebte ich tatsächlich.
    Am letzten Tag erfuhren wir, wohin es für uns ging.
    Wir mussten alle antreten und wurden einer nach dem anderen aufgerufen.
    »Matijević?«
    »Hier!«
    »Kamerad, Sie gehen nach Prizren!«

    Scheiße, dachte ich nur, direkt in die Hölle also.
    Während ich kurz darauf in meiner Stube zusammenpackte, gingen mir tausend Dinge durch den Kopf. Ich hatte die Situation im Kosovo in den Nachrichten verfolgt und wusste, dass die Lage in Prizren ganz besonders schwierig war. Auch einige Kameraden, die dort stationiert waren, hatten nach ihrer Rückkehr aus dem Einsatzgebiet mit Berichten von unmenschlichen Situationen nicht gegeizt.
    Die muslimischen Kosovo-Albaner lieferten sich dort erbitterte Kämpfe mit den vorwiegend katholischen Serben. Diese Kriegsherren schreckten jedenfalls vor nichts zurück. Mit anderen Worten: Ich sollte genau dort eingesetzt werden, wo sich alle Grausamkeit verdichtete.
    Wie schon vermutet, hatten sie mich deshalb ausgewählt, weil meine Familie aus Kroatien stammte und ich daher die Landessprache beherrschte.
    Auf der Fahrt nach Osnabrück überlegte ich die ganze Zeit, wie ich die üble Neuigkeit meiner Mutter nahebringen sollte. Ich wusste, dass sie entsetzt sein würde. Als ich am Nachmittag meine Schwester traf und ihr meinen Einsatzort offenbarte, bestand ihre Reaktion lediglich aus einem Wort, das meine Situation jedoch nicht treffender hätte beschreiben können.
    »Scheiße …«, sagte sie. Und nahm mich in den Arm.

    Zwei Wochen später hatte ich mit meinem Einsatz im Kosovo zu beginnen, der insgesamt achtundachtzig Tage und vier Stunden dauern sollte. Achtundachtzig Tage und vier Stunden, die mein Leben für immer veränderten. Wie besessen verfolgte ich tagtäglich die Nachrichten und sah im Fernsehen ein Land, in dem die Kinder die Soldaten der NATO freundlich begrüßten. In
dem die Menschen dankbar für die Hilfe waren, die man ihnen anbot, und gemeinsam mit den Alliierten Kräften nach Lösungen suchten. Dass es nichts weiter war als blendender Schein, davon ahnte ich zu dem Zeitpunkt nichts.
    Die Tage vergingen wie im Flug, ich war voll und ganz mit den Vorbereitungen zur Abreise befasst, regelte dies und das, war von morgens bis abends auf den Beinen. Zwischendurch traf ich ein paar Freunde.
    »Was nimmst du alles mit?«, fragte mich meine Mutter, als sie mich in meiner Wohnung besuchte.
    Sie war nicht die Einzige, die danach fragte. Vermutlich hatte niemand in meinem Umfeld auch nur eine vage Vorstellung davon, was man so alles für einen »militärischen Einsatz mit kriegsähnlichen Zuständen«, wie es politisch korrekt heißt, im Gepäck hat - vor allem als Frau.
    »Was denkst du?«, fragte ich zurück. »Ich werde vermutlich eine Uniform und einen Rucksack tragen. Außerdem darf jeder Soldat eine Transportkiste mit persönlichen Dingen in das Einsatzland mitnehmen.«
    »Was bedeutet das genau?«, fragte meine Mutter weiter, denn mit meiner Antwort konnte sie nicht viel anfangen.
    Ich musste grinsen. »Was die Ausrüstung angeht, die am Mann, also direkt am Körper, getragen wird, ist dies schnell aufgezählt«, erklärte ich und begann: »ABC-Abwehrkarte, Handschuhe, Erste-Hilfe-Handschuhe, Atropin-Spritzen …« Weiter kam ich nicht.
    »Wofür braucht man die denn?«, wollte meine Mutter wissen.
    »Na, im Falle eines Giftgasanschlages«, erklärte ich. »Außerdem noch Kampfmittelaufspürpapier, eine fast zwanzig Kilo schwere schuss- und splittersichere Weste, eine P8 in einem Schnellschuss-Holster, das an meinem rechten Bein befestigt
wird, einen Helm, Springerstiefel und eine Mütze oder ein Barett als Kopfbedeckung.«
    Meine Mutter seufzte. »Das ist aber ganz schön viel, ganz schön schwer auch, mein Kind«, sagte sie.
    »Nicht zu vergessen einen Truppenausweis, ein Messer, eine Erkennungsmarke und ein Taschentuch.«
    »Wozu das?«, fragte meine Mutter erneut.
    »Ganz einfach«, erwiderte ich. »Die Kameraden, die vor kurzem aus dem Einsatz zurückgekehrt sind, haben uns erzählt, es sei mit der wichtigste Teil der Ausrüstung. Man befeuchtet das Taschentuch und legt es sich in den Nacken, um bei den Fahrten vom und ins Camp nicht vor Hitze
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