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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen
Autoren: Daniela Matijevic
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heißt du?«, fragte er mit barscher Stimme.
    »Daniela«, antwortete ich reflexhaft.

    Platsch - sofort drückte er mir den Kopf wieder unters Wasser. Diesmal dauerte es länger, bis ich auftauchen durfte.
    Ich atmete kaum durch, da drang dieselbe Frage noch einmal an mein Ohr: »Wie heißt du?«
    »Stabsunteroffizier Matijević«, erwiderte ich diesmal.
    Auch das wollten sie nicht hören. Schon wieder ging es in den Zuber.
    »Wie heißt du?«
    »Rumpelstilzchen.«
    »Auch noch witzig sein wollen, wie?«
    Und zack, wieder drückte der Ausbilder meinen Kopf unter Wasser - sicher für mindestens eine Minute. Ich wurde langsam panisch, denn ich hatte nicht die geringste Ahnung, welche Antwort man von mir erwartete, welche Antwort richtig war.
    »Wie heißt du?«
    Diesmal sagte ich gar nichts.
    »WIE HEISST DU?«, brüllte der Ausbilder so laut, dass mir die Ohren schmerzten.
    »Was ist denn die verfickt richtige Antwort?«, brüllte ich zurück.
    Patsch, ab ins Wasser.
    »Das ist fürs Frechsein«, lautete der Kommentar, als ich mit einem Schrei aus dem Zuber auftauchte.
    »Wie heißt du?«
    »090675-M21410!«
    Stille.
    Dann: »Na also, geht doch!«
    Man hat mir also den Kopf so lange in das eiskalte Wasser getaucht, bis mir in Leib und Seele eingedrungen war, dass ich, sollte ich im Kosovo dem Feind in die Hände fallen, nicht mehr zu verraten hatte als meine Kennziffer.
    090675-M-21410 - wie sollte ich diese Nummer je wieder vergessen?

    Zitternd am ganzen Körper ließen mich die Ausbilder stehen, ganze zwanzig Minuten hatte ich zur Verfügung, um mich von der Strapaze zu erholen. Im Anschluss an die wahrlich eindrucksvolle Demonstration ging es nahtlos weiter im Text. Mit meinen Kameraden, die entweder dasselbe erlebt oder noch vor sich hatten, konnte ich über das Vorgefallene nicht reden. Und auch als ich am Abend zu Hause anrief, um zu hören, wie es meiner Mutter ging, erzählte ich nichts.
    Auch sonst demonstrierten uns die Ausbilder - möglichst lebensecht, versteht sich -, was uns im Falle einer Kriegsgefangenschaft im Kosovo blühte.
    Beispielsweise zwängten sie alle Kursteilnehmer in einen Bus und fuhren mit uns eine Waldstrecke entlang, ohne zu sagen, wohin es ging. Als der Fahrer mitten im Wald anhielt, wähnte ich mich schon am Ziel der Fahrt. Ich rechnete mit einer Geländeübung und spähte auf der Suche nach möglichen Aufgaben aus dem Fenster - als plötzlich eine Horde maskierter Männer den Bus stürmte.
    »Keiner rührt sich vom Fleck!«, rief der größte von ihnen, der als Erster in den Bus gepoltert war, während seine Kumpane uns ihre Waffen unter die Nase hielten. »Und wehe, ihr haltet nicht die Fresse, dann gnade euch Gott!«
    Mein Sitznachbar zog fragend die Augenbrauen hoch - da kam schon der Anführer der Truppe auf uns zugestürzt. Er packte mich grob am Arm und brachte mich nach draußen. Dort fesselte ein anderer mich mit dem Dreieckstuch, das ich in der Tasche trug, und verband mir die Augen.
    Nachdem alle meine Kameraden gefesselt waren, führten sie uns stundenlang durch unwegsames Gelände, zwangen uns im Wald hinzuknien.
    »Wehe, einer von euch bewegt sich«, blaffte eine derbe Männerstimme, danach versetzte mir jemand einen groben Stoß in den Rücken.

    Während wir reglos verharrten, hörten wir, wie unsere Kameraden nach und nach zum Verhör abgeführt wurden. Ich bekam mit, wie die Männer, die den Bus überfallen hatten, den jungen Soldaten, der im Bus neben mir saß, beschimpften und peinigten, weil er seinen Verlobungsring nicht abnehmen wollte. Jedes Mal, wenn jemand sich weigerte, einen der Befehle auszuführen, wurde er abgeführt und - erschossen. Obwohl ich genau wusste, dass die Erschießungen nur simuliert wurden, machte mir die Situation im Wald sehr zu schaffen, erzeugte sie doch ein realitätsnahes Gefühl von Folter.
    »Mitkommen«, brüllte einer der Männer mir ins Ohr, riss mich auf die Füße und zwang mich, mein eigenes Grab auszuheben.
    Während ich in Schweiß gebadet Erde schaufelte, musste ich die ganze Zeit den Satz wiederholen: »Ich bin scheiße!« Und obwohl ich wusste, dass auch dies nur ein sogenannter »Probedurchlauf« war, glaubte ich den beschämenden Satz nach einer halben Stunde. Selten bin ich mir im Leben so erniedrigt vorgekommen wie in jenen Stunden, die nicht vergehen wollten.
    Warum habe ich das mitgemacht?
    Letztlich hatte ich doch keine Wahl, denn mit der Unterschrift unter dem Zeitvertrag habe ich mich selbst zur
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