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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen
Autoren: Daniela Matijevic
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Menschen bei der Bundeswehr immer auf die Füße, die aalglatt und ganz besonders fies waren.
    Neben einem ambitionierten, sehr netten Zahnarzt als Chef lernte ich in der Staffel leider auch die Bürokratie kennen. Ich hatte mit Formularen zu tun, mit denen ich ein Formular zur Beantragung eines Formulars beantragte. Mit Befehlen, die heute erteilt und morgen ad acta gelegt wurden. Mit Anordnungen zu Vorgängen, die nicht mal in unserem Bundesland geschahen, das heißt: für uns keine Relevanz hatten. Mit lauter solchen Absurditäten war mein Alltag gefüllt.

    Schnell entwickelte ich eine Vorliebe für ein ganz bestimmtes Formular: den Urlaubsantrag. Unter der Woche schob ich wie eine Irre Dienste, um das Wochenende auf jeden Fall zu Hause verbringen zu können. Ich hatte in der Zwischenzeit eine Wohnung in Osnabrück gemietet, und kaum dass es freitags zwölf Uhr schlug, sprang ich in mein Auto, trat das Gaspedal durch und fuhr heim. Bald fiel allen auf, dass ich keinen gesteigerten Wert darauf legte, Zeit mit meinen Kameraden, geschweige denn mit der Führung zu verbringen. Ich fieberte jedem einzelnen Tag in den eigenen vier Wänden entgegen und machte auch keinen Hehl daraus.
    Richtig glücklich war ich, als man mich zum Erwerb des Bundeswehrführerscheins nach Fassberg abkommandierte, nur knapp hundert Kilometer von zu Hause entfernt.
    Ich war bereits auf der Autobahn von Heide Richtung Hamburg unterwegs, um zu meinem neuen Dienstort zu gelangen, als unmittelbar vor mir ein Lastwagen in die Leitplanken krachte.
    Ohne zu überlegen trat ich voll auf die Bremse und hielt auf dem Seitenstreifen an.
    Nachdem ich die Unfallstelle gesichert hatte, sprang ich in voller Ausgehmontur in den Fluss neben der Fahrbahn - um den verletzten Fahrer zu retten, der aus der Führerkabine geschleudert worden war. Ich trug den Mann ans Ufer und begann sofort mit der Reanimation. Als die Rettungskräfte eintrafen und die Feuerwehr mich ablöste, kam ein Uniformierter auf mich zu und sagte: »Ein Anruf für Sie!«
    Offenbar hatte die Leitstelle inzwischen meine Einheit informiert, denn der stellvertretende Spieß erklärte, dass er gerade eine förmliche Anerkennung für Lebensrettung vorbereite.
    »Du hast verdammt gute Arbeit geleistet«, sagte er. »Du kannst stolz auf dich sein!«

    »Danke«, stammelte ich verwundert, denn damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
    »Mach dich in Ruhe auf den Weg zur Kaserne. Fassberg weiß, dass du später kommst«, sagte er noch und legte auf.
    Kaum kam ich in Fassberg an, beorderte mich der Spieß in sein Büro.
    »Ich habe erfahren, was passiert ist«, begann er und lobte mich. Gleich darauf aber fügte er hinzu: »Ich muss Ihnen mitteilen, dass sich Oberfeldwebel Mader weigert, Sie auszuzeichnen.«
    Mir blieb die Spucke weg.
    »Für ihn sei es normal, sagt er, dass seine Leute Leben retten«, meinte der Spieß und zuckte bedauernd die Achseln.
    Mich packte die Wut. Es war mir nicht wichtig, ausgezeichnet zu werden. Es war aber demütigend, dass dieser Typ so viel Macht besaß, willkürlich seine Spielchen zu spielen.
    Fassungslos verließ ich den Raum. Liebend gern hätte ich die Tür eingetreten.
    Es war kein Trost, dass mich der Chef von Fassberg zwei Wochen später für die Lebensrettung auszeichnete. Ich wollte keinen Orden, ich wollte Respekt. Doch danach sollte ich während meiner Zeit bei der Bundeswehr vergeblich suchen.

    Im Sommer 1997 wechselte ich für einen dreimonatigen Unteroffizierslehrgang an die Sanitätsakademie in München, der zentralen Ausbildungseinrichtung der Bundeswehr für den Sanitätsdienst - dort werden jährlich bis zu sechstausend Lehrgangsteilnehmer geschult. Ich freute mich sehr auf die methodisch-didaktische Ausbildung, bei der, wie sich schnell herausstellte, auch die Physis keine unwesentliche Rolle spielen sollte. Den etwa sechzig Teilnehmern war von vornherein klar, dass sie einige Hürden zu nehmen
hatten. Neben einem Dreißig-Kilometer-Marsch mussten wir auch das Goldene Sportabzeichen erringen und mindestens drei Lehrproben im freien Feld bestehen. Wir wurden zu drei Teams zusammengewürfelt und auf die einzelnen Hörsäle verteilt. Die Tatsache, dass jede einzelne Klausur und jede Einzelnote eines jeden Lehrgangsteilnehmers das Ergebnis des gesamten Teams beeinflusste, trieb uns zu Höchstleistungen.
    Schon mehrfach hatte ich vom berühmt-berüchtigten Hörsaal 33 gehört, in dem einige hochdekorierte Soldaten gelernt hatten. Nun saß ich
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