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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen
Autoren: Daniela Matijevic
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erwartet.
    Unsere Gruppe, die aus elf Männern und sechs Frauen bestand, wäre miteinander durch die Hölle gegangen, wenn es der Ausbilder von uns verlangt hätte. Es erstaunte mich, dass Menschen bereit waren, sich derart füreinander einzusetzen, gemeinsam zu kämpfen, ja sogar füreinander ihr Leben zu riskieren und bei jeder Herausforderung um Höchstleistungen zu ringen. Keine Familie der Welt hätte mir Zusammenhalt besser vermitteln können.
    Am ersten Tag, beim Eintreffen in der Kaserne, war davon allerdings noch nichts zu spüren. Als ich aus dem Bus stieg, mit
dem ein ziviler Angestellter der Bundeswehr die Neuankömmlinge in die Grundausbildungseinheit gefahren hatte, wurde ich prompt von einem Typen angeschrien, dem ich nicht einmal zugetraut hätte, fehlerfrei bis zehn zählen zu können.
    Das soll einer meiner Ausbilder sein?, fragte ich mich auf dem Weg zur Unterkunft. Das konnten ja tolle acht Wochen werden! Innerlich liebäugelte ich schon mit dem Gedanken, der Hohlbratze eine reinzuhauen, wenn diese wieder damit kam, wir als Neulinge seien noch nicht mal den Dreck unter seinen Fingernägeln wert.
    Nach der unschönen Begegnung gleich zu Beginn bezog ich mit zwei Kameradinnen eine Dreibettstube. Auf unserem Gang in der 18. Kompanie des Luftwaffenausbildungsregiments waren zwölf Stuben, die jeweils mit drei bis acht Soldaten und Soldatinnen belegt waren.
    Mit den beiden Kameradinnen auf meiner Stube verstand ich mich auf Anhieb gut. Die mit ihren kurzen braunen Haaren und der schmalen Statur sehr burschikos wirkende Marleen kam aus der ehemaligen DDR und war eigentlich ausgebildete Tierarzthelferin. Nun ja, weit davon entfernt schien die Ausbildung bei diesem Verein hier auf den ersten Blick nicht zu sein. Die Arbeitslosigkeit habe sie aus Leipzig zur Bundeswehr getrieben, erzählte Marleen, als wir unsere Spinde einräumten.
    »Lieber SaZ4 als Hartz IV«, meinte sie nur - lieber Soldat auf Zeit für vier Jahre als Arbeitslosengeld und Sozialhilfe.
    Manuela hingegen war mit ihrer fröhlichen Natur und ihrem witzigen Akzent ein echter Sonnenschein. Sie hatte gehört, dass unter den Sanitätern besonders scharfe Männer unterwegs sein sollten. Da hatte sie sich sofort verpflichtet.
    Uns war klar, dass wir nie dicke Freundinnen werden würden. Es war Kameradschaft, was uns ab der ersten Stunde verband.

    Gleich am ersten Abend, wir steckten inzwischen in den schicken blauen Trainingsanzügen der Bundeswehr, auch »Schlumpfanzüge« genannt, sagte uns der Kompaniechef, Hauptmann Liehs, wo es langging. Unsere Vereidigung in zwei Wochen sei bindend, und wir müssten uns darüber im Klaren sein, dass nur die Besten von uns dieser Ehre würdig seien.
    Ich blickte mich im Hörsaal der Kompanie um. Neugierig betrachtete ich die Gesichter meiner Kameradinnen und Kameraden. Die meisten lauschten den Worten des Hauptmanns ehrfurchtsvoll, einige blickten verschüchtert auf den Boden.
    »Wir bilden Kameraden aus und keine Verpisser!«, war einer seiner Lieblingssätze, den wir nicht nur an jenem Abend, sondern auch danach bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu hören bekommen sollten.
    In der folgenden Nacht fand ich keinen Schlaf, wälzte mich unruhig im Bett, den Kopf voller Fragen.
    War ich wirklich bereit, für meine Ideale durch die Hölle zu gehen?
    Ja, lautete die Antwort, schließlich war ich nicht so weit gekommen, um jetzt klein beizugeben.
    Wäre ich doch damals nur nach Hause gefahren! Aber was nützt es, über verschüttete Milch zu klagen? Mein Weg war wahrscheinlich vorgezeichnet …
    In der Ausbildung wurden uns grundlegende medizinische Kenntnisse vermittelt, die sowohl im zivilen Leben als auch im Kriegseinsatz gefragt waren. Warum trage ich einen Patienten immer mit dem Kopf voran? Wozu brauche ich mein Dreieckstuch? Wie viele Hefeweizen vertrage ich, bis mir schlecht wird?
    Der gute Zusammenhalt in unserer Gruppe ließ mich das intellektuell extrem niedrige Niveau fast vergessen. Nach bestandenem achtwöchigem »Dummfick«, wie die Grundausbildung gerne genannt wird, verließ ich die Kompanie und wechselte in
das Gebäude auf der anderen Straßenseite, wo ich einen Rettungssanitäterlehrgang absolvieren sollte. Diese Ausbildung brachte mir endlich das, was ich mir von Anfang an gewünscht hatte: anspruchsvolles Denken. Wir hatten drei Wochen Zeit, um den Stoff von drei Monaten zu erlernen, und das spornte mich an. Hatte ich mich bisher eher unterfordert gefühlt, so musste ich mich nun
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