Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit den Augen der Fremden

Mit den Augen der Fremden

Titel: Mit den Augen der Fremden
Autoren: Gordon R. Dickson
Vom Netzwerk:
blickte er statt dessen zu den Seitenfenstern hinaus und sah zu, wie die Lichter Washingtons vorbeiflogen.
    Als sie schließlich vor den breiten Glastüren von Meles Hotel anhielten, sah er sie drinnen stehen. Sie trug ein hellblaues Sommerkleid, das gut zu ihrem braunen Haar paßte, dazu weiße Handschuhe und eine hellblaue Handtasche. Sie wartete nicht, bis er aus dem Taxi stieg, um sie abzuholen, sondern kam sofort heraus, als sie den Wagen sah.
    Er öffnete die Tür und blickte zu ihr auf. Sie setzte sich neben ihn. Ein leichter Hauch von Eau de Cologne – er empfand es nicht als unangenehm, aber als seltsam – kam mit ihr in den Wagen. Sie saß gerade da, und ihr Rücken berührte kaum den Sitz. Ihre Augen warfen ihm einen beruhigenden Blick zu.
    „Zwölfte und Independence Avenue“, sagte er zu dem Fahrer, ohne hinzusehen. Mele küßte ihn. Ihre Lippen fühlten sich kühl und fremd an, ebenso wie der Duft nach Kölnisch Wasser seltsam gewirkt hatte.
    Wieder reihte das Taxi sich in den Verkehr ein. Sie rutschte näher zu ihm heran, ergriff seinen Arm und hielt seine rechte Hand. Ohne zu reden, saßen sie nebeneinander. Er hatte ein seltsames Gefühl, wie ein Mann, der lange Zeit krank gewesen war und jetzt wieder genesen ist, aber weiterhin die Gewohnheiten seiner Krankheit spürt, die an ihm festhaften. Die Erinnerung, Kator Zweitvetter zu sein – von dem Augenblick an, da Kator den Wurmkadaver aufgehoben hatte, der ihn mit den virusgroßen Mechanismen infiziert hatte, die den Kontakt zwischen ihm und Jason möglich gemacht hatten –, ließ ihn nicht los, hüllte ihn ein wie ein Laken. Wie ein Laken aus Plastik, durchsichtig und doch von einer Art, daß die ganze Welt, mit der er vertraut war, durch dieses Laken verzerrt und undeutlich erschien.
    Mele war in diesem Experiment nicht nur sein Beobachter, sondern auch die Frau, die er zu heiraten beabsichtigte. Sie liebte ihn. Aber jetzt, da sie neben ihm saß, erschien sie ihm irgendwie fern und fremd.
    Und es gab nichts, was er dagegen tun konnte. Von hier an war alles weitere unbekannt. Und es gab kein Zurück.
     

 
4
     
    Vor der breiten Treppe und den schweren Bronzeportalen des Gebäudes, in dem die Stiftung für angewandte Wissenschaft ihr Hauptquartier hatte, hielten sie an. Jason bezahlte das Taxi, nahm seine Tasche und ging mit Mele die Treppe hinauf. Als sie läuteten, ließ der Nachtwächter Walt sie herein.
    „Es sind alle schon da“, sagte Walt. „Die sitzen in der Bibliothek und warten auf Sie.“
    Jason und Mele gingen den breiten, mit grünem Teppich belegten Korridor hinunter, bis sie die Abzweigung nach rechts erreichten, folgten einem anderen Gang bis zu einer geschlossenen Tür, an der sie vorbeigingen, und betraten durch die nächste offene Tür einen Raum, dessen rundumlaufende Bücherregale bis zur Decke reichten.
    An einem polierten Tisch am anderen Ende des Saals, auf geraden Stühlen, die neben dem übrigen, üppig gepolsterten Mobiliar des Raums reichlich unpassend wirkten, saßen die acht Mitglieder des Ausschusses. Hinter ihnen hatte man die grünen Gardinen vor die hohen Fenster gezogen, so daß der Blick auf den von Mauern gesäumten Garten der Stiftung verwehrt war.
    Jason und Mele nahmen ihre Plätze am Tisch ein.
    „Da sind Sie ja“, sagte Thornybright.
    Jason sah sich um. Langsam kam ihm seine Umwelt wieder normal vor. Hier, in diesem vertrauten Raum, wo alles geplant und entschieden worden war, gewann die Sache mit Kator wieder ihre richtige Perspektive. Die acht Männer, die er sah, keiner jünger als Mitte Dreißig und mindestens einer, Wilder, Mitte Sechzig – sahen alle wie Männer aus, die mitten in der Nacht hastig aus dem Bett gestiegen waren. Die meisten waren unrasiert, und nicht alle hatten ihre Krawatten gerade gebunden oder sämtliche Hemdknöpfe geschlossen.
    Es waren alles gute Leute, Spitzenkönner in ihrem Fach. Jason kannte sie alle; James Mohn hatte ihm in Wisconsin Biologie beigebracht – einen Augenblick tauchten die Straßen rings um die Universität vor Jasons geistigem Auge auf und verschwammen dann wieder. William Heller hatte ihm dabei geholfen, seine augenblickliche Position beim Innenministerium zu bekommen. Und so weiter. Aber in diesem Augenblick waren nur zwei der acht Männer wichtig. Der eine war Joe Dystra und der andere Tim Thornybright. Anfang der Fünfzig, massig gebaut, beherrschte Dystra allein durch seine Anwesenheit den ganzen Raum. Ihm gegenüber wirkte der schlanke,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher