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Mit den Augen der Fremden

Mit den Augen der Fremden

Titel: Mit den Augen der Fremden
Autoren: Gordon R. Dickson
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„Studienabteilung für wilde Tiere“, die das US-Innenministerium kürzlich gegründet hatte. Der Scheck lautete nur über sein halbes Gehalt, da Jason die letzten beiden Monate Studienurlaub genommen hatte. Und unter dem Scheck lag eine zwei Wochen alte Geburtstagskarte mit der gekritzelten Aufschrift: „Alles Liebe – Liebe zum Geburts-un-tag, Mele.“
    Isoliert, dunkel, schlummerte die Wohnung – mit Ausnahme des Empfängers, jenes winzigen Mikrogeräts, das man in Jasons Schädel eingebettet hatte. Mit seinem haarfeinen Draht, der zu gewissen Zentren seines Gehirns führte. Schlaflos, unisoliert, tastete der Empfänger durch den Hyperraum hinaus ins Weltall zu einem kalten, finsteren Fragment irdischer Herkunft, das so fern war, daß in diesem Augenblick dasselbe Sonnenlicht darauf fiel, das die Verurteilten in den Hexenprozessen von Salem im Jahre 1692 beschienen hatte.
    Und diesem Fragment nahe und immer näher rückend – obwohl er das noch nicht wußte –, in einem Schiff, das nicht viel größer war als ein Zehn-Meter-Motorboot auf der Erde, kam ein anderer Träumer, ein Träumer, der nie die Frühlingsluft in den Bergen oder die schwüle Luft einer Nacht von Washington geatmet hatte. Er hätte keines der ausgestopften Tiere, kein menschliches Buch und kein Neonzeichen verstanden. Auch keine Geburtstagskarte wäre ihm begreiflich gewesen, und kein unterzeichneter Scheck hätte ihm genützt, noch hätten die Kämpfe irgendwelcher Bären ihn erregt.
    Und dennoch – auch er träumte. Er saß mit den Händen auf einem mit Schaltern und Knöpfen bedeckten Tisch. Seine Hände waren ebenso wie sein Körper mit schwarzem Fell bedeckt. Aber sein Fleisch war warm; eine Lebensflüssigkeit, die von einem herzähnlichen Pumporgan angetrieben wurde, floß durch Adern in seinem Körper und wurde von Sauerstoff aus einer Atmosphäre, in der auch Jason hätte atmen können, erfrischt.
    Sein Geist kannte seine eigenen Wünsche. Er spürte Hitze, Kälte, Triebe und Angst und die Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen. Wilde Wut war in ihm – und Hoffnung.
    Und jener andere Träumer träumte. Er träumte von einem weißen Palast mit vielen unterirdischen Stockwerken und nur drei Stockwerken über der Erde im Licht eines Sterns, den er noch nicht gefunden hatte. Und in der obersten Etage befanden sich die Mütter seiner Söhne und seine Söhne selbst, aufrecht, stark und ehrenhaft – und träumend, so wie er jetzt träumte.
    Aber es war ein Wachtraum, den er träumte. Der Traum, ein Reich zu gründen.
     

 
2
     
    Und deshalb geschah es, daß, bevor der Schläfer im fernen Washington erwachte, Kator Zweitvetter, in der Umgebung eines variablen Cepheiden – den seine Karten als 47391 L bezeichneten, aber den der Schläfer Ursae Minoris oder Polaris, den Polarstern, genannt hätte –, daß also Kator, wie gesagt, plötzlich das Gefühl hatte, der Zufallsfaktor, den alle suchen, sei ihm in die Hände gefallen.
    Auch wenn er nur ein Zweitvetter war, gehörte er doch der Familie von Brutogas an. Und so reagierte er sofort, ergriff die Möglichkeit, die sich ihm bot und blockierte die Steuerorgane. Vor ihm strahlte seine große Chance, ein Reich zu gründen. Und deshalb plante er sorgfältig, aber schnell. Ein Zugstrahl griff nach dem im Weltall treibenden Artefakt, das der Zufallsfaktor ihm geboten hatte. Es war ein schönes Artefakt, selbst in seinem bruchstückhaften Zustand, gut fünfmal so lang wie der Zwei-Mann-Aufklärer, in dem er und Aton Mutteronkel aus der Familie Ochadie routinemäßig die galaktische Drift abgesucht hatten.
    Kator zentrierte das Artefakt in der Mitte seines Bildschirms und lehnte sich im Pilotensessel zurück. Ein auf Hochglanz poliertes Schott zur linken Seite des Schirms zeigte ihm sein eigenes Bild, und er drehte nachdenklich die steifen, katzenartigen Barthaare seines runden Gesichtes und lächelte dann zufrieden, während er seine Lage überdachte.
    Günstiger hätte sich seine Chance kaum darbieten können. Aton Mutteronkel war nicht einmal durch Heirat mit der Familie Brutogas verbunden. Zugegebenermaßen hing er wie die Brutogasi eher dem Hakenglauben als den Stäben an. Andererseits war die Aussicht, daß sich ein solcher Zufallsfaktor wie dieser noch einmal auf einer wissenschaftlichen Forschungsfahrt ergeben würde, einfach astronomisch klein.
    Damit waren die normalen Pflichten und Konventionen automatisch außer Kraft gesetzt. Aton Mutteronkel hätte es zweifellos gebilligt,
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