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Mit dem Blick aufs weite Meer

Mit dem Blick aufs weite Meer

Titel: Mit dem Blick aufs weite Meer
Autoren: Vanessa Grant
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sich am Busbahnhof aufhalten?

10. KAPITEL
    Um halb vier Uhr erschien Kent im Warteraum des Busbahnhofs. Angela saß auf einem der Klappsitze und trank aus einem Plastikbecher bitteren Kaffee. Sie hatte sich die Wartezeit damit vertrieben, die ausgehängten Reiseplakate und Fahrpläne zu studieren, und wusste, dass eine Busfahrt von Vancouver nach Toronto drei Tage dauerte. Inzwischen war sie fast sicher, dass Kent vor der Abfahrt des Busses nicht mehr kommen würde.
    Jedesmal, wenn die Eingangstür geöffnet wurde, hob sie erschrocken den Kopf. Bis jetzt waren ein älterer Mann mit einem Gehstock, zwei Frauen und eine Familie mit zwei kleinen Kindern erschienen. Um halb drei Uhr fuhr ein Bus mit nur acht Fahrgästen ab.
    Danach tauchte kurz nach drei Uhr eine Gruppe müder Passagiere auf, die aus einem Bus ausgestiegen waren.
    Kurz darauf war alles wieder ruhig, bis Kent hereinkam. Entschlossen betrat er den Warteraum und blieb unvermittelt stehen. Kent blickte zu ihr hinüber. Sein Gesicht wirkte müde und abgespannt. Er trug jetzt nicht mehr die Jeans und das rote Strickhemd, sondern wieder einen Anzug.
    Er machte eine knappe Kopfbewegung. “Komm mit, das Auto steht draußen.”
    “Nein. Mein Bus fährt bald ab.”
    Kent schaute sich in dem leeren Warteraum um. “Wenn du unbedingt von mir fort willst und nicht einmal mehr bis morgen warten kannst, fahre ich dich zum Flughafen. Mein Pilot wird zwar nicht begeistert sein, so früh aus dem Bett geholt zu werden, aber ich lasse dich auf gar keinen Fall allein hier auf diesem verdammten Busbahnhof!”
    Angela vermied es, ihm in die Augen zu sehen, während sie erklärte: “Ich werde nicht mitkommen. Bitte geh jetzt.”
    Seine Miene verfinsterte sich, doch er schwieg.
    “Ich möchte, dass du mich verlässt. Fahr bitte nach Hause. Ich nehme den Bus und …” Sie durfte jetzt noch nicht weinen, erst später, wenn sie allein war, weil es dann nichts mehr ausmachte. “Ich … ich will dich nicht wiedersehen.”
    Kent mit seinem verdammten Verantwortungsgefühl! Sie hätte wissen müssen, dass er sie suchen würde. Hatte er sich nicht auch immer um Charlotte gekümmert? Selbst bei ihren verrücktesten Eskapaden hatte er ihr geholfen, wieder herauszukommen. Und seine Großmutter? Morgen würde er in dem großen Haus sein, weil die Frau, die er ein Leben lang Mutter genannt hatte, sich über einen Nachbarn aufregte, der sein Haus blau anstreichen wollte. Obwohl Kent das völlig absurd fand, würde er trotzdem hinfahren.
    Und jetzt wollte er sich vergewissern, dass sie, Angela, wohlbehalten nach Hause kam, auch wenn sie zu weit ge gangen war und ihr gemeinsames Wochenende verdorben hatte.
    “Gestern hast du behauptet, du liebst mich”, sagte er leise.
    Es gab ihr einen schmerzhaften Stich, und Kents Gesicht verschwamm ihr vor den Augen.
    Die Kehle war ihr wie zugeschnürt, so dass ihr das Sprechen schwer fiel. “Ich fühle mich einfach nur körperlich zu dir hingezogen.”
    “Es stimmte also nicht?”
    Sie brachte keinen Ton mehr heraus. Während sie durch einen Tränenschleier sah, wie die Tür sich hinter Kent schloss, blieb sie reglos sitzen. Nach einer Weile stand sie auf, ging an einer Reihe von Schließfächern vorbei zum Waschraum für Damen. Dort konnte niemand ihre Tränen sehen.

    Angela wäre nicht überrascht gewesen, wenn sie die von der Firma Bellingham bestellten Segelsachen nicht hätte ausliefe rn können, weil sie allesamt verschnitten waren. Doch seltsamerweise passten die Teile haargenau.
    Sie arbeitete von Montag bis zum späten Mittwochabend im Bodenraum über dem Laden.
    Die meiste Zeit war sie allein. Die anderen schienen sie aus irgendeinem Grund zu meiden.
    Wenn Barney gelegentlich mit ihr sprach, tat er es auf eine äußerst höfliche Art, als hätten sie nie gemeinsam die Schulbank gedrückt. Charlotte sprach hauptsächlich von Kent, erzählte, ohne jemand direkt anzusprechen, Geschichten aus seiner Kindheit, die für Angela bestimmt waren. Harvey machte nur ein bekümmertes Gesicht. Genauso hatte er damals bei der Rückkehr von seiner erfolglosen Suche nach Ben dreingeschaut.
    Sogar Scott schien zu schmollen. Seine Tante Angie hatte ihm nicht einmal das kleinste Souvenir von seinen geliebten Bergen mitgebracht. Angela war das alles zuerst gar nicht aufgefallen. Sie fühlte nur jedesmal einen Stich, wenn Charlotte Kents Namen erwähnte.
    Angelas Hände verarbeiteten den Stoff, doch ihre Gedanken waren nicht bei der Sache.
    Am
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