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Mit 12 fühlt man ganz anders

Mit 12 fühlt man ganz anders

Titel: Mit 12 fühlt man ganz anders
Autoren: Tina Caspari
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mehr. Und der Hunger wurde unerträglich. Das stundenlange Herumlaufen in der Hitze, der leere Magen und die Kühle der hereinbrechenden Nacht verursachten ihr Kopfschmerzen.
    Im Dorf war es still. Hin und wieder ratterte ein Moped vorüber, in einer Gaststätte lärmten ein paar skatspielende Männer. Katja drückte sich in den Schatten einer Kastanie.
    Da drüben stand leuchtend wie eine helle kleine Insel eine Telefonzelle.
    Ob sie ihnen wenigstens Lebewohl sagen sollte?
    Nichts weiter, nur: „Macht euch keine Sorgen, ihr seht mich nicht wieder, aber ich komme schon durch!“ und dann einhängen. Dann wußten sie zumindest, daß sie keinem Verbrechen zum Opfer gefallen war und brauchten keine Suchanzeige über das Fernsehen durchzugeben. Ja, das mußte sie tun, das war sie ihnen schuldig. Trotzdem rührte sie sich nicht vom Fleck.
    Erst als zwei angetrunkene junge Männer aus der Wirtschaft kamen und mit schwankenden Schritten auf sie zuliefen, rannte sie zur Telefonzelle hinüber, kramte ein paar Münzen aus dem Portemonnaie und wählte ihre Nummer.
    Mami war am Apparat. Ihre Stimme klang ganz klein vor Kummer und Aufregung. Katja versuchte krampfhaft, sich an die vorher eingeübten Sätze zu erinnern.
    „Ich..., ich wollte mich nur von dir verabschieden. Ich komme nicht mehr nach Hause, macht euch aber keine Sorgen um mich ..."
    Draußen erschienen die schwankenden Gestalten der beiden jungen Männer, sie klopften an die Glasscheibe und lachten dröhnend. Katja wurde es himmelangst.
    „Wo bist du denn, Kind? Bitte sag doch, wo du steckst! Wir haben uns halb zu Tode gesorgt!“
    Jetzt kam auch Papi an den Apparat.
    „Katja? Kathrinchen, was machst du denn bloß für Sachen! Wo steckst du, Kind?“
    Einer der jungen Männer zog die Tür auf und tippte Katja an.
    „He, sag deinem Schatz, du hast schon zwei Kavaliere!“
    „Lassen Sie mich in Ruhe!“ schrie Katja und fühlte, wie ihr die Tränen aus den Augen schossen. „Papi? Papi, hol mich hier weg, bitte!“

    Hastig erklärte sie ihrem Vater, wo sie gelandet war. Die beiden Männer verloren das Interesse an ihr, sie hatten ein neues Opfer gefunden, einen alten Mann, mit dem sie sich in ein ausgedehntes Palaver einließen. Gemeinsam mit ihm kehrten sie in die Kneipe zurück, auf der Straße wurde es still.
    Es dauerte eine halbe Stunde, und der Wagen mit den Eltern hielt vor der Telefonzelle. Mami nahm Katja in die Arme und zog sie auf den Rücksitz des Autos. Den Kopf in Mamis Schoß, heulte sich Katja aus, bis sie sich ganz leer und leicht fühlte. Weder Mami noch Papi stellten eine Frage.
    Erst als sie zu dritt in der Küche saßen und mit Heißhunger einen riesigen Teller belegte Brote verzehrten und Bier dazu tranken, das für Katja mit einem Schuß Himbeerlimonade gesüßt war, stellte Mami die Frage: „Nun sag mir bloß, was hattest du in diesem Dorf zu suchen?“
    „Ich wollte weg. Nach Holland, zu Fuß, damit mich niemand entdeckt. Da wollte ich leben und mir irgendwie Geld verdienen.“
    „Aber warum denn, um Himmels willen?“
    „Ich weiß nicht... Es war alles so schrecklich sinnlos. Ich hatte plötzlich das Gefühl, das ganze Leben lohnt sich nicht.“
    „Das hat jeder mal“, sagte Mami. „Und jetzt?“
    „Jetzt lohnt es sich wieder.“ Katja grinste und griff nach dem letzten Käsebrot.
    Mami und Papi lachten und stießen mit ihren Gläsern an.
    „Darauf wollen wir trinken“, sagte Papi. Dann sagte er noch, daß es ihm leid täte, daß er Katja an der Autobahn einfach hinausgeworfen hatte. Das würde nie wieder geschehen, versprach er.

Eine Stinkbombe wird zur Lawine

    Kein Tag verging, ohne daß es Ärger mit Frau Haubenstock gab. Irgendeinen der Hausbewohner erwischte es immer; sei es, daß die alte Dame ihn auf der Treppe oder im Hauseingang festhielt und den Betreffenden mit einer Strafpredigt wegen eines „Vergehens“ überschüttete, das er gar nicht verschuldet hatte. Oder man fand einen jener gefürchteten blaugrauen Umschläge auf dem Fußboden der Diele, der einen bitterbösen Beschwerdebrief enthielt. Dabei waren die meisten Vorwürfe reine Erfindungen. Frau Haubenstocks Lieblingszeitvertreib war es offenbar, sich immer neue Geschichten auszudenken, mit denen sie den Mietern das Leben im Hause unerträglich machen konnte.
    Da war das Treppenhaus nicht gründlich genug geputzt, die Haustürklinke angeblich mit Marmelade beschmiert, auf den Fensterscheiben über der Haustür waren Fingerabdrücke. Da hatte wie durch
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