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Mit 12 fühlt man ganz anders

Mit 12 fühlt man ganz anders

Titel: Mit 12 fühlt man ganz anders
Autoren: Tina Caspari
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Aber sonst?
    Doch Mami war erbarmungslos. Gab es eine bessere Gelegenheit, sich von überflüssigem Ballast zu befreien, als einen Umzug? Gleich nach dem Essen holte sie eine Anzahl Kartons aus dem Keller und verteilte sie in den Kinderzimmern. Außerdem bekam jeder einen Müllsack für den Abfall.
    „Die besten Kartons nehmen wir für die Sachen, die mit ins neue Haus kommen“, sagte sie. „Die packen wir nachher gemeinsam mit all dem, was ihr in der letzten Woche hier nicht mehr braucht. Und jetzt: alles aus den Schränken und Kommoden raus! Auf die eine Seite das, was ihr mitnehmen wollt, auf die andere das, was wir dem Hilfswerk geben, und in den Müllsack das, was weggeworfen werden kann.“
    Seufzend machte sich Katja an die Arbeit. Schrank und Kommode zu leeren, war kein Problem. Aber das Sortieren! Da war kaum ein Stück, von dem sie sich so ohne weiteres trennen mochte. Ein paar leere Keks- und Bonbonpackungen wanderten in den Müllsack, die Schulhefte vom vergangenen Jahr, ein eingetrockneter Gummierstift, eine zerbrochene Haarbürste. Schließlich trennte sie sich auch von dem eingetrockneten Lebkuchenherz und von der verstaubten Papierrose. Auch ein paar verschrumpelte Kastanien fanden sich und eine wachsverklebte Weihnachtskarte. Aber sonst?
    „So“, sagte Mami und trat ins Zimmer. Sie war von einem heißen Kampf mit Celia sichtlich erschöpft und schloß die Tür energisch hinter sich. „Nun laß mal sehen, mein Schatz!“
    Sie kniete sich neben Katja auf den Boden und sah auf den Berg von Kleidung, Schuhen, Büchern und Spielzeug
    zu Katjas rechter Seite.
    „Na, sehr weit bist du ja noch nicht gekommen, dann laß uns mal anfangen!“
    „Wieso? Das sind alles Sachen, die ich mitnehme, was weg kann, habe ich schon in den Müllsack geschmissen. “ Mami stöhne leise.
    „Liebes, jetzt laß uns mal vernünftig miteinander reden. Schau, die alten T-Shirts, die Nachthemden dort, die ausgeleierten Söckchen, die kaputten Jeans, diese uralten Sweatshirts da, total aus der Form geraten - das kann alles in die Kleidersammlung. Du trägst sie sowieso nicht mehr! Hier, die zerfledderten Comic-Hefte - wo kommt das Zeug überhaupt her? -, die uralten Zeitschriften, die schleppen wir doch nicht alle mit! Die Puzzles - das ist was für Fünfjährige, die machst du nie in deinem Leben noch mal! Im Kindergarten werden sie sich darüber freuen. Jetzt zu deinen Puppensachen. Schau, Schätzchen, seit zwei Jahren liegen die in deiner Kommode, und du hast sie nicht ein einziges Mal zum Spielen herausgeholt. Denk doch, wie glücklich du andere Kinder damit machen könntest! Ich wette mit dir, daß du nie wieder mit Puppen spielen wirst, auch nicht mit all den Stofftieren, die auf dem Schrank verstaubt sind.“
    „Aber sie gehören mir, und ich will sie behalten!“ sagte Katja weinerlich.
    Mami sah sie schweigend an.
    „Natürlich“, sagte sie schließlich seufzend, „ich will sie dir ja auch nicht wegnehmen. Ich habe nur gehofft, du wärst ein bißchen einsichtiger. Du weißt so gut wie ich, daß sie auch im neuen Haus nur in der Kommode liegen werden und du sie nicht einmal mehr anschaust.“
    „Also gut“, schrie Katja rabiat, „dann schmeiß doch alles weg! Schmeiß alles weg, ich will es nicht mehr sehen!“
    Mami erhob sich und ging schweigend hinaus. Katja warf sich aufs Bett und schluchzte hemmungslos. Sie wartete auf die ganz große Verzweiflung, die sie nun überfluten mußte, aber die kam nicht. Das Schluchzen blieb irgendwie außen, es kam nicht richtig aus der Tiefe. Nach einer Weile wurde sie ruhiger. Sie stand auf, wischte sich das Gesicht ab und kniete sich wieder auf den Boden. Stück für Stück begann sie, ihre alten Spielsachen liebevoll zu verpacken. Ich wünsche euch, daß ihr zu dem nettesten Kind der Welt kommt, das es gibt, und daß es euch doppelt so liebhat wie ich, dachte Katja.
    Sie würde nur den Stoffhund und den Teddybären mitnehmen, die beide Nacht für Nacht neben ihr im Bett schlafen durften. Und das große Spielemagazin, den Bastelkasten und die Bücher, die sie auch in Zukunft noch lesen würde. Dann hatte sie viel Platz für neue Dinge, und ihr nächstes Zimmer würde ganz anders aussehen als dieses hier, das noch ein richtiges Kinderzimmer gewesen war. Ein richtiges Teenagerzimmer, wie Melanie jetzt eines hatte, mit Postern an den Wänden, einem großen Bücherregal und einem Kassettenrecorder. Ihre Kinderzeit ließ sie in Köln zurück. Mit zwölf war man schließlich
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