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Mit 12 fühlt man ganz anders

Mit 12 fühlt man ganz anders

Titel: Mit 12 fühlt man ganz anders
Autoren: Tina Caspari
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er zurück, müde und blaß, den Kopf voller Bürogedanken. Meistens verschwand er nach dem Abendessen noch für ein oder zwei Stunden an seinen Schreibtisch und wälzte Akten und Papierhaufen. Und am Wochenende war es nicht viel besser. Ob er überhaupt noch mitbekam, welche Jahreszeit sie hatten, ob die Kastanien blühten oder die Blätter bereits gelb wurden?
    Katja blieb stehen. Die Füße begannen zu schmerzen, und an der linken Ferse bildete sich eine Blase. Sie hätte die Turnschuhe anziehen sollen statt der Riemchensandalen, aber wer konnte denn so was ahnen! Ob sie barfuß laufen sollte? Das war auch nicht besser, der Asphalt war glühend heiß. Am besten, sie ruhte sich einen Augenblick aus.
    Mami war total fertig gewesen, das hatte sie ihr angesehen. Sie mußten sich ganz schön in der Wolle gehabt haben, die beiden! Wahrscheinlich hatte sie sich ganz einfach Sorgen gemacht, daß Papi nicht nach Hause kam. Sie regte sich immer so auf, wenn er mit dem Auto unterwegs war. Aber daß er ihr deswegen solche Vorwürfe machte... na ja, manches nahm Mami ziemlich locker. Und wenn ihr die Idee zu einem Bild oder einer Bastelarbeit kam, konnte sie schon mal alles liegenlassen, und im Haushalt ging’s dann drunter und drüber. Aber sehr oft kam das nicht vor. Schließlich war Malen ihr Beruf gewesen, und Papi war stolz auf Mamis Bilder und ihre Töpferarbeiten. Katja würde bestimmt nicht mit Mami tauschen wollen. Wann hatte die schon mal Zeit für sich? Am Wochenende bestimmt nicht, da gab es fast die doppelte Arbeit. Alle wollten Kuchen, natürlich selbstgebackenen, und das Sonntagsessen sollte besonders lecker sein. Und hieß es: Wir machen ein Picknick, damit Mami nicht kochen muß - dann stand sie den Abend vorher bis Mitternacht in der Küche. In den Ferien hatten sie irgendwo am Meer ein Ferienhaus, das machte die gleiche Arbeit, nur daß alles noch ein bißchen unbequemer war. Und für die großen Feste, Weihnachten und Ostern oder die vielen Geburtstage in der Familie, war sie wochenlang vorher mit Vorbereitungen beschäftigt, da das Geld für umfangreiche Geschenkkäufe nicht reichte. Mami löste das Problem durch ihr Geschick im Basteln und Nähen und durch ihre unerschöpfliche Phantasie.
    Es war eigentlich ein Wunder, daß sie dabei immer so fröhlich war. Na schön, sie schrie auch kurz mal los, wenn die Umstände es erforderten, aber für gewöhnlich besaß sie eine unerschütterliche, heitere Ruhe.
    Katja seufzte. Ob Mami sie vermissen würde? Immerhin hatte sie jetzt ein Kind weniger zu versorgen. Jetzt mußte sich Celia mit den Brüdern rumärgern. Recht geschah es ihr.
    Weiter! Sie konnte hier nicht ewig sitzen bleiben. Hätte sie doch bloß mehr zu Mittag gegessen, jetzt bekam sie einen bohrenden Hunger! Sie würde sich zum Abendbrot zwei trockene Brötchen kaufen - schließlich wußte sie nicht, wie lange sie mit dem bißchen Geld auskommen mußte.
    Katja lief und lief. Wie ein Roboter setzte sie einen Fuß vor den anderen, sie zwang sich, an etwas anderes zu denken, um den Schmerz an der Ferse nicht zu spüren. Sie ging jetzt schon eine Weile unterhalb der Autobahn entlang, das war mühsam, denn sie mußte Sträucher und Gestrüpp umgehen und manchmal größere Umwege machen. Aber per Anhalter zu fahren riskierte sie nicht. Sie wußte, daß das sehr gefährlich sein konnte. Immer wieder waren schlimme Geschichten von Überfällen auf Anhalter in der Zeitung zu lesen.
    Die Sonne verschwand hinter dem Horizont, es wurde kühl. Katjas Füße brannten wie Feuer. Warum hatte sie keine Jacke mitgenommen? Wenn sie auf freiem Feld übernachten mußte, würde sie ganz schön frieren. Und gegen Morgen wurde es so feucht. Am besten, sie steuerte das nächste Dorf an und versuchte eine Scheune oder einen Schuppen zu finden und vielleicht ein paar leere Kartoffelsäcke, mit denen sie sich zudecken konnte.
    Katja schaute auf ihre Armbanduhr. Jetzt suchten sie sie sicher schon. Es war fast zehn Uhr, später als sieben war sie noch nie nach Hause gekommen, ohne um Erlaubnis zu fragen. Sicher riefen die Eltern sämtliche Freundinnen an. Und dann alle anderen Mädchen aus der Klasse. Und schließlich die Polizei. Sie würden es im Radio durchgeben, vielleicht sogar im Fernsehen. Mit Foto und genauer Personenbeschreibung. Sie durfte sich nirgendwo blicken lassen.
    Da drüben war eine Viehtränke, da konnte sie sich die wunden Füße kühlen. Das tat gut, einen Augenblick wenigstens, aber hinterher fror sie um so
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