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Mit 12 fühlt man ganz anders

Mit 12 fühlt man ganz anders

Titel: Mit 12 fühlt man ganz anders
Autoren: Tina Caspari
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Katja spröde. „Sonst gehe ich jetzt Hausaufgaben machen.“
    „Nein, nein, geh nur, mein Schatz!“
    Mami steckte Celia einen dicken Kuchenkrümel in den Mund, der von der zum Auskühlen aufs Fensterbrett gestellten Torte herabgefallen war; Mami wollte sich weitere Proteste ersparen. Katja wandte sich ärgerlich ab und ging in ihr Zimmer hinüber. Trübselig setzte sie sich an ihren Schreibtisch und starrte nach draußen.
    Schneematsch. Das hörte sie schon am Geräusch der Autoreifen, die durch die Pfützen rauschten. Vor der Bushaltestelle schwankte ein Wald von Regenschirmen. Wenn es wenigstens richtig geschneit hätte! Aber das kam gleich als Matsch vom Himmel. Patschte an die Fensterscheiben, daß man schon vom Hinsehen kalte Füße bekam.
    Warum war ihr neuerdings bloß oft so todtraurig zumute? Als hätte man sie allein auf einem menschenleeren Bahnsteig zurückgelassen, in einer fremden Stadt, getrennt von allem, was ihr lieb und vertraut war. Sie hatte mit Mami darüber reden wollen. Über die Müdigkeit und darüber, daß sie sich auf nichts mehr so richtig
    freuen konnte. Sie fühlte sich in ihrer eigenen Haut nicht mehr wohl. Ja, das war’s, ein Gefühl, als paßte alles nicht richtig zueinander. Die langen Arme und Beine. Der magere Körper mit dem zaghaften Ansatz eines Busens, der überhaupt nicht zu ihr zu gehören schien. Dreizehn Zentimeter war sie im vergangenen Jahr gewachsen und hatte anderthalb Schuhgrößen übersprungen. Und dann diese lästigen kleinen Pickel auf Kinn und Stirn. Das Gefühl, dreimal am Tag duschen zu müssen. Wenn sie in den Spiegel schaute, fand sie sich einfach scheußlich, was sie auch immer anzog und wie sie sich auch frisierte. Dann streckte sie sich selbst wütend die Zunge raus und schnitt die gräßlichsten Grimassen. Wenn schon häßlich, dann wenigstens gleich richtig!
    Ihre Schwester Celia dagegen, die war mit ihren sieben Jahren der reinste Kinderstar. Jedenfalls tat sie so. Hielt hof zwischen ihren Kleidern und Schuhen, Bändern, Blumen und den zahlreichen Schmink- und Kosmetikpröbchen, die sie Mami abschwatzte. Sie thronte zwischen ihren Stofftieren und Puppen und war immer und in jeder Lebenslage das „entzückende Kind“. Auf der Straße drehten sich sämtliche Omas nach ihr um und murmelten etwas von „reizendem kleinem Mädchen“, schenkten ihr Bonbons und ließen sich ihren Namen sagen. „Celia, was für ein bezaubernder Name, der paßt aber gut zu dir!“ Katja konnte es nicht mehr hören. Dabei konnte die Schwester ein richtiges kleines Ekel sein; sie tyrannisierte alle mit ihrem Schmollmund und ihrer weinerlichen Rechthaberei.
    Katja gab ihrer Schultasche einen kräftigen Tritt, dann besann sie sich und zog sie seufzend heran. Mathe und Geschichte mußte sie für Montag noch machen. Geschichte hob sie sich bis zuletzt auf, das machte am meisten Spaß, und sie wollte sich gründlich vorbereiten. Sie war zwar erst in der letzten Stunde gefragt worden und hatte die Note „eins“ bekommen, aber das spornte sie nur um so mehr an. Wenn sie an Herrn Fellner dachte, den Geschichtslehrer, huschte ein Dutzend Schmetterlinge durch ihren Magen. Er war einfach super! So liebevolle braune Augen hatte er und ein ganz schmales, jungenhaftes Gesicht. Sie ertappte sich bei dem Gedanken, Herrn Fellner im Stadtwald zu begegnen. Sie standen dicht nebeneinander, und Herr Fellner legte den Arm um ihre Schultern, weil sie fror, während sie den Enten und Schwänen im Teich zusahen. Und dann gingen sie in der Dämmerung den Weg hinunter, weit und breit war keine Menschenseele außer ihnen, und Herr Fellner zog Katja an sich, nahm ihr Gesicht in seine Hände und küßte sie...
    Katja schrak zusammen, als hätte jemand sie bei etwas Verbotenem ertappt. Sie wollte nicht immer wieder solche Dinge denken; sie wurde wütend, wenn sie sich dabei ertappte, und trotzdem: sobald sie allein war, lief diese Szene in ihrem Kopf ab, in immer neuen Variationen. Wenn sie dem Lehrer gegenüberstand, bemühte sie sich, sich nichts anmerken zu lassen, und benahm sich eher kühl und abweisend, fast ein wenig ruppig. Es genügte wirklich, daß die halbe Klasse in ihn verknallt war! In ihren Leistungen allerdings lag sie weit vor den Mitschülerinnen, als könne sie ihm damit beweisen, wie tief ihre Gefühle waren, im Vergleich zur Schwärmerei der anderen Mädchen. Und tatsächlich schien es ihr, als behandele Herr Fellner sie anders als die anderen. Ein bißchen mehr wie eine
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