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Mit 12 fühlt man ganz anders

Mit 12 fühlt man ganz anders

Titel: Mit 12 fühlt man ganz anders
Autoren: Tina Caspari
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offensichtlich ihre Zustimmung. Anders Katja.
    „Kindchen, bist du gewachsen!“ stellte sie kopfschüttelnd fest. „Nun wirst du ja wohl eine richtige junge Dame! Da wird’s aber Zeit, daß du dir diese gräßlichen Monteuranzüge abgewöhnst. Hast du keinen Rock? Ich glaube, ich muß mal was Vernünftiges für dich nähen.“
    „Komm doch rein, Tante Otti!“ beeilte sich Mami zu sagen, die wußte - oder doch zumindest ahnte -, daß ihre Älteste ihre Meinung nicht für sich behalten würde, zumal wenn Tante Otti ihren Overall immer noch verächtlich als eine Art Arbeitskleidung bezeichnete. Dabei war der modisch geschnittene zartlila Overall wirklich toll. Aber in dieser Beziehung war Tante Otti hoffnungslos altmodisch.
    „Ein Mädchen sollte nicht aussehen wie ein Junge, auch wenn das heutzutage anscheinend modern ist“, dozierte Tante Otti, „und nicht alles, was Mode ist, ist auch gut. Ein Mann muß ein Mann bleiben und eine Frau eine Frau. Der liebe Gott hat sie nun mal verschieden geschaffen, daran kann man nichts ändern, und man sollte es auch nicht versuchen. Im Gegenteil, man sollte immer bemüht sein, die besonderen Reize des Weiblichen zu unterstreichen. Wie entzückend sieht deine Schwester Celia aus! Wie anmutig in dem hübschen Rock und der adretten Bluse!“
    Mami grinste Katja hinter Tante Ottis Rücken zu und machte eine beschwichtigende Geste. Das half Katja ein bißchen, ihre Wut hinunterzuschlucken. Trotzdem wäre sie Tante Otti in diesem Augenblick am liebsten an die Kehle gegangen.
    Papi nahm Tante Otti am Arm und führte sie ins Wohnzimmer.
    „Na, wie ist’s, Otti, ein kleiner Portwein gefällig?“
    „Du kennst mich doch! Da sage ich nie nein.“
    Tante Otti nahm auf dem großen Sofa Platz und sah sich um. Immer wieder recht gemütlich bei euch, sagte ihr Blick, aber die Gardinen müßten dringend gewaschen werden, und wie ihr euch zu dieser Lampe entschließen konntet, werde ich nie begreifen! Wo ihr von mir den schönen venezianischen Kronleuchter hättet haben können! Papi lenkte sie ab, indem er ihr das gefüllte Glas in die Hand drückte.
    „Zum Wohl, Otti!“
    Tante Otti nippte, nickte zustimmend und leerte das Glas in einem Zug.
    „Köstlich, köstlich, mein Junge, da hast du einen wirklich guten Tropfen gewählt. Na, mein großes Mädchen“, wandte sie sich von neuem an Katja, „erzähl mal, hat es inzwischen mit der Tanzschule geklappt?“
    „Ballettschule!“ berichtigte Katja mit einer Spur von Unwillen. Wie konnte Tante Otti etwas so wundervolles, einmaliges, wie es das Ballett war, mit so einem profanen Ausdruck wie „Tanzschule“ beleidigen! Schon, daß sie überhaupt darüber sprach, löste in Katja ein Gefühl aus, als trample ein Dickhäuter durch einen Garten mit sehr zarten, kostbaren Blumen - Katjas Phantasiegarten, in dem sie in endlosen Pirouetten und federleichten Sprüngen über eine imaginäre Bühne schwebte, in strahlendem Licht und einem nie gesehenen Farbenspiel. Sie war schön und tanzte so perfekt und graziös, wie sich noch keine Tänzerin je bewegt hatte. Aber das war ihr streng gehütetes Geheimnis, noch geheimer als die Träume von Herrn Fellner, und höchstens Mami ahnte etwas davon, wenn Katja sie bedrängte, doch bald wieder mit ihr in der Oper eine Ballettaufführung zu besuchen. Oder wenn ihr Weihnachtswunschzettel von Wörtern wie: Ballett-Stunden, Spitzenschuhe, Ballett-Poster, Ballett-Bücher, Ballett-Karten und dergleichen wimmelte.
    „Leider nein“, antwortete Mami für sie. „Die einzige Ballettschule in unserer Nähe hat kürzlich ihre Pforten geschlossen, da die Leiterin in eine andere Stadt umgezogen ist. Und alle anderen sind so weit weg, daß sie für Katja nicht in Frage kommen.“
    „Das ist schade, sehr schade“, sagte Tante Otti und musterte Katja von oben bis unten. „Das Kind müßte unbedingt etwas für seine Haltung tun. Und dein Gang, mein Liebchen, ist katastrophal! Du marschierst wie ein Fußballspieler durch die Gegend. Warum machst du so große Schritte und trittst so fest auf? Vielleicht liegt es an den Schuhen? Sie sind viel zu schwer und sportlich für ein Mädchen.“
    „Aber bequem. Ich mag keine anderen. Nur in diesen hier fühle ich mich richtig wohl“, antwortete Katja aufsässig. „Es ist mir doch völlig Wurst, was ich für einen Gang habe. Ich hab nun mal so lange Beine!“
    „Um so wichtiger ist es für dich, dich um einen damenhaften Gang zu bemühen. Glaub mir, Herzchen, es sieht
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