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Mit 12 fühlt man ganz anders

Mit 12 fühlt man ganz anders

Titel: Mit 12 fühlt man ganz anders
Autoren: Tina Caspari
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leistete den Kindern beim Frühstück Gesellschaft. Papi mußte heute erst um halb zehn Uhr aus dem Haus, und die Erwachsenen wollten später gemeinsam frühstücken.
    „Was habt ihr heute vor?“ erkundigte sich Katja schlechtgelaunt.
    „Tante Otti möchte mit mir einen Stadtbummel machen.“
    „Du Ärmste.“
    „Ich werd’s überleben. Wir wollen zum Mittagessen wieder zu Hause sein.“
    „Schade. Kannst du ihr das nicht ausreden?“
    „Wohl kaum. Sie hat nur den einen Tag, und heute nachmittag ist sie bei Frau Haubenstock zum Tee eingeladen. Du weißt ja, daß die beiden sich bei Tante Ottis früheren Besuchen so angefreundet haben.“
    „Na, da ist sie wenigstens gut untergebracht“, muffelte Katja.
    Mami sah sie an.
    „Tu mir einen Gefallen und reiß dich heute ein bißchen zusammen, ja?“
    „Muß ich mich bei ihr entschuldigen?“
    „Du mußt nicht, aber es wäre sicher ganz klug!“
    Katja seufzte tief.
    „Okay, ich gehe dann jetzt. Viel Spaß in der Stadt!“ Aber Mamis Aufmerksamkeit war schon wieder von einer der allmorgendlichen Katastrophen in Anspruch genommen.
    „Herrgott noch mal, Markus, merkst du denn nicht, daß du mit dem ganzen Ärmel in deinem Marmeladebrot liegst? Jetzt mußt du dich noch mal umziehen!“
    Katja verdrückte sich schleunigst.
    Als sie mittags nach Hause kam, wurde sie schon in der Tür von einer strahlenden Tante Otti empfangen.
    „Na, wie war denn der Schultag? Anstrengend, wie? Aber warte nur, Kleines, die alte Tante Otti hat eine Überraschung für dich, da wirst du gleich gute Laune kriegen!“
    Überraschung? dachte Katja. Ich ahne Fürchterliches! Tante Otti hakte sich bei ihr unter und zog sie in ihr Zimmer. Am Kleiderschrank hing ein Kleid: ein nagelneues, oder besser gesagt nadelneues Kleid, weinroter Samt mit Streublümchenmuster, ein weißer Rüschenkragen im Ausschnitt und weiße Rüschenmanschetten. Ich glaube, ich raste aus, dachte Katja. Das darf einfach nicht wahr sein!
    „Na?“ sagte Tante Otti erwartungsvoll.
    „Wahnsinn!“ stotterte Katja, was man zur Not als begeisterte Zustimmung werten konnte.
    „Komm, du mußt es sofort anprobieren!“
    Tante Otti begann, an Katjas Sweatshirt zu zerren, und da sie sich nicht von Tante Otti ausziehen lassen wollte wie ein kleines Kind, zog sich Katja schnell das Sweatshirt über den Kopf und schlüpfte aus den Jeans. Tante Otti stülpte ihr das Kleid über und half ihr in die Ärmel, dann zog sie den Reißverschluß auf dem Rücken zu. Der Stoff kratzte, aber darauf kam es nun auch nicht mehr an.
    „Reizend, genau wie ich es mir vorgestellt habe!“ rief Tante Otti. „Komm, du mußt dich sofort in Mamis großem Spiegel anschauen!“
    Damit zog sie Katja aus dem Zimmer ins Schlafzimmer der Eltern hinüber und stellte sie vor dem Spiegel auf wie eine Puppe. Hinter ihnen schlich Celia herein, das Gesicht von unverhohlenem Neid gezeichnet.
    „Na?“ sagte Tante Otti wieder. „Süß! Einfach süß!“ Katja nickte stumm. Der Anblick ihres Spiegelbilds verschlug ihr die Sprache. Sie sah aus wie eine zu groß geratene Fünfjährige, die ein Muttertagsgedicht aufsagen soll und den Text vergessen hat. Blümchensamt! Das Hinterletzte, dachte sie. Am liebsten hätte sie schallend gelacht, aber nach dem gestrigen Auftritt wollte sie Tante Otti nicht schon wieder beleidigen.
    „Komm, setz dich!“ drängte Tante Otti, die von ihrem Anblick offensichtlich so entzückt war, daß sie Katjas Entsetzen gar nicht bemerkte. „Ich möchte etwas ausprobieren.“
    Sie nahm Kamm und Bürste von Mamis Toilettentisch unter dem Fenster, zog eine Taftschleife aus der Tasche ihrer Strickjacke und packte Katjas Haare zu einem Schopf, daß sie unter dem heftigen Ziepen zusammenzuckte. Mit ein paar festen Bürstenstrichen hatte sie Katjas halblange Mähne zu einem straffen Pferdeschwanz frisiert.
    „Zeig dich mal im Profil... Nein, das gefällt mir nicht. Viel zu streng. Warte!“
    Nun zog Tante Otti ihr einen Mittelscheitel von der Stirn bis in den Nacken und band ihr über den Ohren zwei Schwänzchen ab, wie es Katja höchstens im Karneval tat, wenn sie im Baby-Doll-Hemdchen und mit aufgemalten Sommersprossen das kleine Dummchen spielte.
    „Na bitte!“ seufzte Katja gottergeben. „Nun paßt doch alles zusammen.“
    Fehlen nur noch die rutschenden Socken und geknöpften Lackschuhe, dachte sie. Vielleicht sollte ich mir einen Schnuller besorgen. Aber ich weiß schon, wie ich mich räche. Meine liebe Tante Otti, dir werden
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