Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit 12 fühlt man ganz anders

Mit 12 fühlt man ganz anders

Titel: Mit 12 fühlt man ganz anders
Autoren: Tina Caspari
Vom Netzwerk:
plötzlich in eine kleine versteckte Bucht ein und ging vor Anker, weil er sie endlich küssen wollte.
    Der Ankerplatz sah nicht sehr nach Rhein aus, eher nach Südsee; Palmen ragten fast waagerecht über die
    Bucht und bildeten ein dichtes Blätterdach. Und das Wasser schimmerte türkisgrün. Ein Streifen feinen Sandstrandes zog sich am Ufer hin, und Katja ließ schnell noch ein paar Seerosen wie kleine schwimmende Inseln um das Boot aufblühen.
    Jetzt trat er mit einem großen schalenähnlichen Gefäß aus zartrosa Glas auf sie zu und reichte es ihr an die Lippen. Champagner? Eigentlich mochte sie Champagner nicht; Papi hatte sie einmal probieren lassen, als es bei Omis siebzigstem Geburtstag welchen gegeben hatte. Aber vielleicht gab es ja auch süßen Champagner, rosa und mit frischen Erdbeeren. Und am Rande des Kelchs mußte eine Orchidee schwimmen, das hatte sie mal auf einem Werbefoto gesehen. Sie trank und schaute ihm dabei tief in die Augen. Nun reichte sie ihm die Schale, und er nahm einen tiefen Schluck. Dann stellte er die Schale ab und zog sie sanft an sich...
    „Katja?“
    „Äh... ja?“
    „Nun schau mich nicht an wie ein Mondkalb bei Neumond! Ich hab dich was gefragt!“
    „Verzeihung, ich habe die Frage nicht verstanden!“
    „Du hattest auch schon mal einen leichteren Schlaf. Ich habe gefragt, wann und wo Bonifatius ermordet wurde?“ Die Frage ging im Gelächter der Klasse unter. Katja bekam einen puterroten Kopf und schwieg verwirrt. Herr Fellner zeigte auf Biggi in der hintersten Bank, und sie gab die Antwort, während Katja immer noch Mühe hatte, das Wort „Mondkalb“ zu verdauen. Wie konnte er vor der ganzen Klasse so etwas Kränkendes zu ihr sagen! Hatte er denn überhaupt kein Gefühl?
    Katja sah den Lehrer zornig an. Der setzte sich ahnungslos wieder auf die Kante ihres Tisches und fuhr fort, die Klasse nach dem eben durchgenommenen Stoff abzufragen. Dabei stützte er eine Hand in die Hüfte, so daß sich sein Jackett ein wenig nach hinten verschob. Katja traute ihren Augen kaum: Hosenträger! Er trug tatsächlich Hosenträger! Gräßlich!
    Wenn sie ihn genau betrachtete, hatte er eigentlich schon ziemlich viele Falten im Gesicht. Und das Haar wurde auch schon grau. Warum war ihr das früher nie auf gefallen?
    Ob er eigentlich verheiratet war? Dann hatte seine Frau keinen besonders guten Geschmack, denn das Muster seiner Jacke war einfach ätzend! Richtig spießig!
    Wieder sah sich Katja mit ihm im Stadtpark.

    Aber diesmal lief er zwei Schritte hinter ihr her. Katja! rief er verzweifelt, Katja, ich muß mit dir reden! Ich kann nicht mehr schlafen, ich kann nicht mehr arbeiten, weil ich ständig an dich denken muß! Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.
    Tut mir leid, Wolfgang, sagte sie. Aber du kommst zu spät. Und wenn du dir eingebildet haben solltest, ich liebe dich, dann muß ich dir sagen, du irrst dich! Das war nichts als eine Laune, ein Spiel. Geh zurück zu den Schülerinnen in deiner Klasse, die dich anhimmeln und an deinen Lippen hängen, als wärst du der Größte! In Wirklichkeit liebe ich einen anderen. Ich liebe...
    Hier ging die Geschichte nicht weiter. Sie wollte den neuen Helden im Hintergrund auftreten lassen, er sollte strahlend auf sie zugehen und sie in die Arme schließen..., nur hatte dieser Held noch kein Gesicht. Katja ging alle Ballett- und Fernsehstars, die sie liebte durch, konnte sich aber für keinen entscheiden. Am liebsten wäre ihr Elvis Presley gewesen, aber daß der schon lange tot war, störte irgendwie. Nachdem sie noch eine Weile überlegt hatte, entschloß sie sich, die Szene mit dem neuen Helden ihrer Träume zu verschieben.
    Hier wäre es nun gut gewesen, eine Tür zuzuknallen, aber da es im Stadtpark keine Türen gab, mußte Katja sich etwas anderes einfallen lassen. Vielleicht Briefe? Ja, ein Bündel Liebesbriefe, die sie vor Wolfgang Fellners Augen zerriß, das war gut. Genüßlich malte sich Katja aus, wie sie einen Brief nach dem anderen in die Hand nahm und zu kleinen Schnipseln zerfetzte. Lachend warf sie die Schnipsel hoch in die Luft. Dann drehte sie sich um und ging hocherhobenen Hauptes davon.
    „He, was ist los?“ drang die Stimme Herrn Fellners in ihre Träume. „Geht’s dir nicht gut? Ist irgendwas nicht in Ordnung? Mach mir keinen Kummer, Mädchen!“
    Katja sah sich um. Die Klasse war leer, die anderen waren längst auf dem Pausenhof.
    „Ich weiß auch nicht, mir ist so schwindlig“, log Katja. „Und ich hab
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher