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Miss Seeton und der Hexenzauber

Titel: Miss Seeton und der Hexenzauber
Autoren: Heron Carvic
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ihrer Ankunft in Plummergen zu Schwierigkeiten gekommen war, da sich die Folgen des Mordfalles in London bis nach Kent ausgewirkt und beinahe das ganze Dorf in  Mitleidenschaft gezogen hatten, bevor das Verbrechen endgültig aufgeklärt werden konnte.
    Miss Seeton, die sich durchaus bewußt war, was Sir George und Lady Colveden für sie getan hatten, war eine Zeit lang ziemlich besorgt gewesen, weil ihr nicht einfiel, wie sie die Freundlichkeiten erwidern konnte. Erst vor ein paar Tagen war sie zum Tee bei den Colvedens eingeladen gewesen und hatte ihre verheiratete Tochter und die kleine Enkelin kennengelernt. Miss Seeton fand die beiden reizend und war gerührt, als die kleine Janie ihr am nächsten Morgen einen Besuch in ihrem Cottage abstattete und einen selbstgepflückten Blumenstrauß »für deine Bilder« mitbrachte. Mutter und Tochter sollten heute nachmittag nach einem neuerlichen kurzen Besuch nach London zurückkehren, und die Puppe konnte als
    Abschiedsgeschenk kaum zurückgewiesen werden und würde, wie Miss Seeton hoffte, der Kleinen Freude machen. Sie klemmte die in Geschenkpapier gewickelte Schachtel unter den Arm, um sie besser tragen zu können.
    »’tschuldigung, Miss.« Miss Seeton drehte sich um. Ein kleiner schmuddeliger Junge musterte sie ernst. »Mein Nonsens steckt im Baum fest.«
    »Dein …?« Ihr Blick folgte der Richtung, in die sein Finger wies. An einem Ast, den sie gerade nicht mehr erreichen konnte, hing ein … na ja, ein Ballon, vermutete sie. Vier aufgeblähte Würste, die an einem aufgeblasenen Ball befestigt waren, ein kleinerer Ball als Kopf: das Gebilde hatte Ähnlichkeit mit dem Männchen, das für Michelin-Reifen warb. Vielleicht ein Weltraumfahrer, überlegte Miss Seeton. Sie hob ihren Regenschirm hoch  und tippte das Ding sanft an. Vorsichtig befreite sie es von dem Ast. Das Kind zerrte an der Schnur. Miss Seetons Schirm hatte eine scharfe Spitze. Die aufgeblasene Figur zerplatzte mit einem Knall. Die Gummifetzen hingen schlaff am Ast – so erfüllte sich symbolisch Chief Inspector Brintons Hoffnung, daß Miss Seeton mit ihrem Regenschirm ein bißchen in Nuscience herumstochern und den Schwindel auffliegen lassen würde. »Liebe Güte«, sagte Miss Seeton.
    »Macht nix«, tröstete sie der Junge. »Ich hab’ noch einen.« Er zog ein zerknautschtes Stück Gummi aus der Hosentasche. Er steckte ein Ende in den Mund und blies.
    Ein neuer Weltraumfahrer entstand. Der Junge verschloß das Loch, in das er geblasen hatte, mit einem Stöpsel, dann nahm er die Schnur von den Überresten, befestigte sie an dem zweiten Raumfahrer und hielt ihn Miss Seeton hin. »Stechen Sie mit Ihrem Schirm rein«, schlug er vor.
    »Gibt ’nen schönen Knall.«
    »Sei nicht so dumm«, protestierte Miss Seeton. »Dann hast du doch keinen Ballon mehr.«
    »Stimmt ja gar nicht. Ich hab’ noch drei.« Er kramte wieder in seiner Tasche und hielt sie hoch. »Meine Mum ist eine Nonsens, verstehn Sie? Sie hat sie bei einer Versammlung gekriegt. Sie schenken sie einem, wenn man ihnen genügend Kohle gibt und bei ihnen mitmacht.
    Es ist Reklame, kapiert?«
    »Trotzdem finde ich, du solltest gut auf sie aufpassen, damit sie lange halten, sonst wird deine Mutter bestimmt böse. Außerdem« – Miss Seeton runzelte die Stirn –, »du solltest deine Mutter wirklich nicht Nonsens nennen! Das ist ziemlich ungezogen, und ich bin sicher, es stimmt auch nicht.«
    »Klar stimmt’s«, beharrte der Junge. »Mein Dad ist  stocksauer. Er ist bei der Eisenbahn, wissen Sie, und abends hilft er auf einer Farm, bei der Ernte und so. Und meine Mum arbeitet auf dem Feld – Kartoffeln, Bohnen und all das. Sie haben für ein Auto gespart, aber dann hat meine Mum das ganze Geld genommen und es diesem Nonsens gegeben. Mein Dad war fuchsteufelswild – ich dachte, er macht sie alle.« Bei der Erinnerung blitzten seine Augen auf. »Außerdem ist er in der Kirche, verstehn Sie, und er findet dieses Nonsens-Zeug blöd.«
    Miss Seeton ließ sich lieber nicht auf weitere
    Diskussionen ein. Offensichtlich gab es da ein
    Mißverständnis. Der Kenter Dialekt … wirklich schwer zu verstehen für jemanden, der noch nicht lange hier wohnte.
    Sie lächelte, nickte und setzte ihren Weg fort.

Kapitel 3
    »Etwas Schreckliches ist passiert.« Die unheilvolle Ankündigung, die eigentlich wie eine Bombe hätte einschlagen sollen, verhallte ungehört. »Ich sagte«, meldete sich Lady Colveden erneut zu Wort, während sie den Brief weglegte
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