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Miss Pettigrews grosser Tag

Titel: Miss Pettigrews grosser Tag
Autoren: Winifred Watson
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wissen Sie. Sie hätten es doch hören können.«
    »Ja, allerdings«, sagte Miss LaFosse verwirrt.
    »Schön, dass Sie es verstehen«, sagte Miss Pettigrew.
    »Schön, dass Sie die Sache mit Nick verstehen.«
    »Aber natürlich«, sagte Miss Pettigrew und hob den Kopf.
    »Er ist ein wahrer Teufel, sieht gut aus und ist unwiderstehlich«, verkündete Miss Pettigrew vernehmlich, »dazu noch springlebendig, aufregend, fesselnd.«
    »Ja«, pflichtete Miss LaFosse bei.
    »Und dieser brave junge Mensch namens Michael, der Sie heiraten will, ist über die Maßen tugendhaft, aber dröge. Er hat kein Feuer … keine Fantasie. Er würde Ihre Lebensgeister ersticken. Sie wollen Farbe, Leben, Musik. Und er bietet Ihnen … ein Haus in der Vorstadt«, brachte sie ihre flammende Ansprache mit Bravour zu Ende.

    Miss LaFosse warf ihr einen verschleierten Blick zu und sagte schuldbewusst: »Na ja … ich weiß nicht so recht …«
    »Ich auch nicht«, sagte Miss Pettigrew. »Es wäre anmaßend, Ihnen mit Ratschlägen kommen zu wollen, nachdem ich aus meinem Leben so gar nichts gemacht habe – wie sollte ich da anderen zu etwas raten?«
    »Oh.« Mehr kam nicht von Miss LaFosse.
    Miss Pettigrew sagte zaghaft: »In diesem … diesem Kleidungsstück sehen Sie einfach bezaubernd aus. Ich kann mir gut vorstellen, dass jeder junge Mann auf Gottes weiter Erde sich Hals über Kopf in Sie verliebt. Meine Liebe, ich glaube nicht, dass Sie jetzt schon Entscheidungen bezüglich Ihrer Zukunft treffen müssen.«
    Miss LaFosse beugte sich breit lächelnd vor.
    »Glauben Sie wirklich?«, fragte sie. »Ich habe es absichtlich noch an. Ich finde, ein Negligé hat so etwas ganz besonders Berückendes, oder was meinen Sie? Und Männer sind frühmorgens doch immer so schwierig.«
    Miss Pettigrew, der einmal das Erlebnis zuteilgeworden war, bei einer Familie in Stellung zu sein, deren älteste Tochter kurz vor der Vermählung stand, nickte weise.
    »Eine … nun ja, sagen wir, aufreizende Bekleidung.« Das Eigenschaftswort ließ Miss Pettigrew erröten. »Die Männer dahinschmelzen lässt.«
    »Sie sagen es«, bestätigte Miss LaFosse.
    Mit einem Mal gab sich Miss Pettigrew einen Ruck.
    »Ja, aber, Miss LaFosse«, japste sie, »Sie geraten ja schon jetzt ins Wanken. Das darf nicht sein. Sie dürfen nicht berückend wirken wollen. Ziehen Sie das Langweiligste an, was Ihr Kleiderschrank hergibt. Versuchen Sie, Nick in die Schranken zu weisen.«
    »Sie haben ja recht«, sagte Miss LaFosse schuldbewusst, »aber ich kann einfach nicht anders …«

    Beide hörten, wie sacht und leise ein Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde, und starrten einander mit großen Augen an. Dann wurde Miss Pettigrew ein brillanter Akt der Verstellungskunst vergönnt. Miss LaFosse lehnte sich rasch zurück.
    »Ich fand schon immer«, sagte Miss LaFosse träge und offensichtlich überaus gelangweilt, »dass Blau mir am besten steht. Es bringt meine Augenfarbe zur Geltung.«
    Die Tür ging auf und fiel ins Schloss. Miss Pettigrew beobachtete in stummer Bewunderung, wie Miss LaFosse – täuschend echt – abwechselnd überrascht, ungläubig und freudig blickend aufsprang und mit ausgestreckten Armen und wehendem Gewand zum Eingang eilte.
    »Nick!«
    Miss Pettigrew schlug rasch die Augen nieder.
    »Liebe Güte!«, dachte sie. »Nicht … nicht schon wieder … so in aller Öffentlichkeit. Und dabei habe ich immer gedacht, in den Filmen würden sie mit den Küssen heillos übertreiben.«

DRITTES KAPITEL
    11:35 – 12:52
     
     
    M iss LaFosse löste sich aus der Umarmung des Neuankömmlings, und nun erst konnte Miss Pettigrew ihn genauer in Augenschein nehmen. Gefälliges Äußeres, geschmeidige Bewegungen, tadellose Haltung. Dunkler, lebhafter Typus: ebenmäßige Gesichtszüge und eine gesunde Hautfarbe, eine seltene Kombination bei einem Mann. Durchdringende, fast schon ins Violette spielende, dunkelblau glänzende Augen, schöner, harter Mund und ein kleiner schwarzer Schnurrbart, der ihn kultiviert und eine Spur verkommen erscheinen ließ – wiederum eine eigenartig reizvolle Mischung. Sein Gesichtsausdruck hatte etwas von einem Raubtier, seine Ausstrahlung war faszinierend und bezwingend zugleich.
    Miss Pettigrew erhob sich langsam und spürte, wie eine seltsame Hilflosigkeit von ihr Besitz ergriff. Auf den ersten Blick war ihr klar, warum Miss LaFosse vor diesem Mann die Waffen streckte. Solche wie ihn hatte Miss Pettigrew dutzende Male im Film gesehen: jung, gewinnend,
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