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Miss Pettigrews grosser Tag

Titel: Miss Pettigrews grosser Tag
Autoren: Winifred Watson
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es«, sagte Miss LaFosse erleichtert. »Ich wusste doch, dass Sie es verstehen würden. Wären Sie wohl so nett, alles wegzuräumen, jedes kleinste Fitzelchen einschließlich Haarschuppen, was auch nur entfernt darauf hindeutet, dass ein anderer Mann hier war.«
    Die Wogen drohten über Miss Pettigrews Kopf zusammenzuschlagen; stockend schlug sie vor:
    »Am sichersten wäre es doch, ihn gar nicht erst hereinzulassen.«
    »Ach, aber das kann ich nicht.«
    »Warum nicht?«, erkundigte sich Miss Pettigrew überrascht.
    »Ehrlich gesagt habe ich ein bisschen Angst vor ihm«, sagte Miss LaFosse.
    »Also«, sagte Miss Pettigrew mit frisch erwachtem Mut, »wenn Sie sich vor diesem jungen Mann fürchten, dann … dann gehe ich eben an Ihrer Stelle zur Tür und sage sehr bestimmt, dass Sie nicht zu Hause sind.«
    »Ach herrje!« Miss LaFosse rang die Hände. »Ich glaube
nicht, dass er klopft. Er hat einen Schlüssel, wissen Sie. Er kommt einfach herein. Und es ginge sowieso nicht. Er bezahlt die Miete, verstehen Sie. So sieht es aus.«
    »Ich verstehe«, sagte Miss Pettigrew gepresst. Diesmal entsprach es der Wahrheit. Allmählich wurde es ihr zu viel. Das Beste wäre, Hut und Mantel zu nehmen und mit hochgereckter Nase in würdevoller Entrüstung die Wohnung zu verlassen, das wusste sie. Aber sie konnte es nicht. Stattdessen fragte sie zaghaft:
    »Hätten Sie denn … hätten Sie denn dann nicht gestern Abend dem anderen jungen Mann die Tür weisen können?«
    »Ach herrje!«, sagte Miss LaFosse, nun wieder gänzlich mutlos. »Es ist alles ein solches Kuddelmuddel. Ich wusste ja nicht, dass Nick kommt. Das habe ich erst gestern spätabends eher zufällig erfahren. Er hatte mir gesagt, er käme morgen zurück. Er war verreist, wissen Sie. Ich glaube, er … er traut mir nicht so ganz. Und weil ich dachte, dass er bis morgen fortbleibt, habe ich ja gesagt, als Phil fragte, ob er mit zu mir kommen könnte. Und als ich dann hörte, dass Nick schon früher wieder da sein wird, konnte ich Phil doch nicht einfach so abwimmeln, nicht ohne eine hiebund stichfeste Ausrede, und in so was bin ich nicht gut. Und ich wollte ihn doch auch nicht misstrauisch machen. Er weiß nichts von Nick. Er will mich in einer neuen Show protegieren. Verstehen Sie meine Lage?«
    »Allerdings«, sagte Miss Pettigrew – geschockt, aufgewühlt und – ja: elektrisiert, bis ins Mark. Warum sich etwas vormachen? Das hier war Leben, war Drama, Aufregung. So also lebte die andere Hälfte.
    »Ist Ihnen klar, was Sie tun sollen?«, fragte Miss LaFosse bänglich. »Und was davon abhängt? Sind Sie sicher, dass Sie das hinkriegen?«

    Miss Pettigrew stand still da und kämpfte mit sich. »Steh für die Tugend ein«, hörte sie ihren Vater sagen. »Verstoße den Sünder. Verschmähe ihn.« Ihre behütete Erziehung, ihr altjüngferliches, tugendhaftes Leben, ihre moralischen Überzeugungen, sie alle hoben rechtschaffen empört die Hände. Und dann dachte sie an den Tisch mit dem Gedeck für sie, an den Kaffee und den Stapel reichlich gebutterter Toastscheiben auf ihrem Teller, ihre – was Miss LaFosse nicht wissen konnte – erste Mahlzeit an diesem Tag.
    »Wie ich schon sagte«, bemerkte Miss Pettigrew. »Ich habe die reinsten Adleraugen.«
    Nachdem sie hurtig alle möglicherweise männlichen Verdachtsmomente (bis hin zu Nägelschnipseln) aus Schlafzimmer und angrenzendem Bad entfernt hatte, begab sie sich zurück ins Wohnzimmer, wo Miss LaFosse vor dem elektrischen Kamin auf dem Sofa ruhte. Diese war ihrerseits ebenfalls nicht untätig gewesen und hatte das verräterische Frühstücksgeschirr weggeräumt, trug aber immer noch das entzückende Negligé, in dem sie einer modernen, aller Grausamkeit abholden Circe glich.
    »So«, dachte Miss Pettigrew niedergeschlagen, »jetzt wird es ernst. Weiter lässt es sich nicht hinauszögern.« Mit einem Mal verspürte sie ein ungewohntes Stechen hinter den Lidern. Doch langjährige Erfahrung hatte sie gelehrt, dass Tränen nie etwas bewirkten. »Lieber Gott!«, schoss es ihr durch den Kopf. »Ich bin es so erbärmlich leid, immer arbeiten und bei fremden Menschen im Haus leben und ihre Launen aushalten zu müssen.«
    Mit der hoffnungslosen Würde einer Bittstellerin schritt sie langsam durch den Raum, setzte sich Miss LaFosse gegenüber auf einen bequemen Stuhl und presste die gefalteten Hände im Schoß zusammen. Mittlerweile hielt sie es nicht mehr für ausgeschlossen, dass Miss LaFosse doch
irgendwo ein paar verirrte
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