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Miss Marples letzte Fälle

Miss Marples letzte Fälle

Titel: Miss Marples letzte Fälle
Autoren: Agatha Christie
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wie wir nicht Unsinn reden sollen – also los, geben Sie mir den Schlüssel.«
    »Schon gut, schon gut.«
    »Ich glaube, Sie haben Angst, ich könnte sie rauslassen oder so. Ich denke mir, die ist von der Sorte, die durch Fenster und Türen gehen kann.«
    Sybil sperrte die Tür auf und ging hinein.
    »Wie furchtbar merkwürdig!«
    »Was ist merkwürdig?«, fragte Alicia Coombe, während sie ihr über die Schulter spähte.
    »Das Zimmer scheint fast überhaupt nicht staubig, nicht? Man möchte doch meinen, nachdem es so lange abgeschlossen war…«
    »Ja, das ist allerdings merkwürdig.«
    »Da ist sie«, sagte Sybil.
    Die Puppe war auf dem Sofa. Sie lag nicht in ihrer g e wöhnlichen schlaffen Haltung da. Sie saß aufrecht, ein Kissen im Rücken, und sah aus wie die Dame des Hauses, die sich anschickt, ihre Gäste zu empfangen.
    »Na, die scheint sich hier ja richtig eingelebt zu haben, was?«, bemerkte Alicia Coombe. »Ich habe fast das G e fühl, ich müsste mich entschuldigen, dass wir hereing e kommen sind.«
    »Gehen wir«, stieß Sybil hervor.
    Sie ging rückwärts hinaus, zog die Tür hinter sich zu und sperrte wieder ab.
    Die beiden Frauen sahen einander an.
    »Ich wüsste gern«, sagte Alicia Coombe, »warum wir uns dabei so fürchten…«
    »Du liebe Güte, wer würde sich da nicht fürchten?«
    »Ich meine, was passiert schließlich schon? Eigentlich gar nichts – bloß dass eine Art Marionettenpuppe im Zimmer herumbewegt wird. Ich nehme an, es ist gar nicht die Puppe selbst – es ist ein Poltergeist.«
    »Das ist eine Idee.«
    »Ja, aber eigentlich glaube ich nicht dran. Ich glaube, es ist – es ist doch die Puppe.«
    »Wissen Sie auch ganz bestimmt nicht mehr, wo sie wirklich hergekommen ist?«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass ich sie nicht gekauft und dass sie mir auch niemand geschenkt hat. Ich glaube, sie ist – na ja, sie ist einfach gekommen.«
    »Meinen Sie, sie wird – je wieder weggehen?«
    »Eigentlich«, erwiderte Alicia, »sehe ich nicht recht, w a rum. Sie hat ja alles, was sie will.«
    Aber anscheinend hatte die Puppe doch nicht alles, was sie wollte. Am nächsten Tag, als Sybil in den Vorfüh r raum ging, hielt sie plötzlich den Atem an. Dann rief sie die Treppe hinauf.
    »Miss Coombe, Miss Coombe, kommen Sie bitte mal herunter.«
    »Was ist los?«
    Alicia Coombe, die spät aufgestanden war, kam etwas mühselig die Treppe herunter. Sie hatte Rheumatismus im linken Knie.
    »Was ist denn mit Ihnen los, Sybil?«
    »Sehen Sie her. Sehen Sie, was jetzt passiert ist.«
    Sie standen in der Tür zum Vorführraum. Auf einem Sofa saß, lässig an die Armstütze gelehnt, die Puppe.
    »Sie ist ausgebrochen«, rief Sybil. »Sie ist aus dem Zi m mer drüben ausgebrochen! Sie will auch dieses Zimmer haben.«
    Alicia Coombe ließ sich neben der Tür auf den Boden nieder. »Am Ende«, sagte sie, »wird sie wahrscheinlich das ganze Atelier haben wollen.«
    »Gut möglich.«
    »Du widerwärtiges, hinterhältiges, boshaftes Geschöpf«, schrie Alicia die Puppe an. »Warum kommst du zu uns und belästigst uns so? Wir wollen dich nicht haben.«
    Es kam ihr so vor, und Sybil ging es geradeso, als ob sich die Puppe ganz leicht bewegte. Es war, als ob sie ihre Glieder noch ein bisschen lässiger von sich streckte. E i ner ihrer langen Arme ruhte auf der Sofalehne, und es schien, als ob ihr Gesicht, halb verborgen, darunter he r vorspähte. Und es war ein listiger, boshafter Blick.
    »Ein grässliches Ding«, stieß Alicia hervor. »Ich halte das nicht mehr aus! Ich halte es nicht mehr länger aus!«
    Plötzlich rannte sie zu Sybils völliger Überraschung quer durchs Zimmer auf die Puppe zu, packte sie, lief zum Fenster, riss es auf und schleuderte die Puppe hinaus auf die Straße. Sybil rang nach Luft und stieß einen leisen Schreckensschrei aus.
    »Oh, Alicia, das hätten Sie nicht tun dürfen! Bestimmt, das hätten Sie nicht tun dürfen!«
    »Ich musste etwas tun«, keuchte Alicia Coombe. »Ich konnte es einfach nicht mehr aushalten.«
    Sybil trat neben sie ans Fenster. Drunten auf den Pfla s tersteinen lag die Puppe mit gespreizten Gliedern, das Gesicht nach unten.
    »Sie haben sie umgebracht«, flüsterte Sybil.
    »Reden Sie kein dummes Zeug… Wie kann ich etwas umbringen, das aus ein paar Stofffetzen besteht. Sie ist ja nicht lebendig.«
    »Sie ist grässlich lebendig«, sagte Sybil.
    Alicia hielt plötzlich den
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