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Miss Marples letzte Fälle

Miss Marples letzte Fälle

Titel: Miss Marples letzte Fälle
Autoren: Agatha Christie
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Verlobung wegen meiner G e schichte gelöst. Darauf lachte sie verächtlich und sagte, so feige wäre sie bestimmt nicht, wenn sie einen Mann wir k lich liebe. Wir sprachen dann noch einmal über meine damalige Vision und fanden sie beide merkwürdig, aber mehr nicht.
    Nun, danach gibt es für einige Zeit wenig zu berichten. Sylvia und ich heirateten und waren glücklich miteina n der. Aber ich erkannte, sobald sie wirklich mir gehörte, dass ich nicht gerade zum allerbesten Ehemann gescha f fen war. Ich liebte Sylvia über alles, aber ich war eife r süchtig, lächerlich eifersüchtig auf jeden Menschen, dem sie auch nur ein Lächeln schenkte. Zu Anfang fand sie das lustig. Ich glaube, es gefiel ihr sogar. Es bewies ihr zumindest, wie sehr ich sie liebte.
    Was mich anbetraf, so erkannte ich klar und unmissve r ständlich, dass ich nicht nur mich selbst lächerlich mac h te, sondern auch den Frieden und das Glück unseres g e meinsamen Lebens in Gefahr brachte. Ich wusste es, wie gesagt, aber ich konnte mir nicht helfen. Jedes Mal wenn Sylvia einen Brief bekam, den sie mir nicht zeigte, grübe l te ich, von wem er sein mochte. Und immer wenn sie mit einem anderen Mann lachte und plauderte, wurde ich mürrisch und argwöhnisch.
    Wie gesagt, zu Anfang lachte Sylvia über mich. Sie fand das Ganze ungeheuer komisch. Dann fand sie es allmä h lich weniger komisch – und am Ende überhaupt nicht mehr.
    Und langsam begann sie sich von mir innerlich zu en t fernen. Nicht in irgendeinem körperlichen Sinn, doch sie zog sich seelisch vor mir zurück. Ich wusste nicht mehr, was sie dachte. Sie war nach wie vor nett zu mir – aber auf eine traurige Weise, wie aus weiter Entfernung.
    Nach und nach begriff ich, dass sie mich nicht mehr liebte. Ihre Liebe war tot, und ich selbst hatte sie get ö tet…
    Der nächste Schritt war unausweichlich. Ich wartete darauf – und fürchtete mich gleichzeitig davor.
    Dann trat Derek Wainwright in unser Leben. Er besaß alles, was ich nicht hatte. Er war klug und witzig, gut au s sehend und obendrein – ich muss es zugeben – ein fabe l haft anständiger Kerl. Schon auf den ersten Blick sagte ich zu mir: Das ist genau der Richtige für Sylvia…
    Sie kämpfte dagegen an. Ich weiß, wie sehr sie kämpfte – aber ich half ihr nicht dabei. Ich konnte nicht. Ich hatte mich rettungslos in meinen starren, abweisenden Trü b sinn verrannt. Ich litt wie ein Hund – und konnte keinen Finger rühren, um mich aus meiner Erstarrung zu befre i en. Ich half Sylvia nicht. Ich machte alles nur noch schlimmer. Eines Tages brach es aus mir heraus – ich überschüttete sie mit einem Strom von wüsten, ung e rechtfertigten Beschimpfungen. Ich war halb wahnsinnig vor Kummer und Eifersucht. Die Dinge, die ich zu ihr sagte, waren grausam und unwahr, und ich wusste, wä h rend ich sie aussprach, wie grausam und unwahr sie w a ren. Und dennoch bereitete es mir ein schlimmes Ve r gnügen, sie auszusprechen.
    Ich sehe noch, wie Sylvia vor Beschämung errötete und in sich zusammenkroch.
    Ich trieb sie bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit.
    Ich weiß noch, wie sie murmelte: »So kann es nicht we i tergehen…«
    Als ich an diesem Abend nachhause kam, war das Haus leer – leer. Es lag ein Brief für mich da – ganz nach kla s sischer Manier.
    Sie schrieb darin, dass sie mich verlassen habe – für immer. Sie werde für ein bis zwei Tage nach »Badg e worthy« fahren. Danach werde sie zu dem einen Me n schen gehen, der sie liebe und brauche. Ihr Entschluss sei endgültig.
    Wahrscheinlich hatte ich bis zu diesem Augenblick meinen eigenen Verdächtigungen nicht wirklich geglaubt. Meine schlimmsten Befürchtungen hier schwarz auf weiß bestätigt zu sehen, trieb mich zum Wahnsinn. Mit der höchsten Geschwindigkeit, die mein Wagen hergab, fuhr ich Sylvia nach »Badgeworthy« hinterher.
    Sie hatte sich gerade zum Abendessen umgezogen, als ich in ihr Zimmer gestürzt kam. Noch heute sehe ich ihr Gesicht vor mir – erschrocken – schön – voller Furcht.
    »Keiner außer mir soll dich haben«, schrie ich. »Keiner!«
    Und ich packte sie mit beiden Händen an der Kehle und zwang sie rücklings aufs Bett.
    Plötzlich sah ich unser Bild im Spiegel. Ich sah Sylvia dem Ersticken nahe, sah meine Hände sie am Halse wü r gen, sah die Narbe an meiner Wange, unterhalb des rec h ten Ohrs, wo die Kugel mich gestreift hatte…
    Nein – ich tötete sie nicht. Die plötzliche Erleuchtung hatte mich gelähmt, ich lockerte
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