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Miss Marples letzte Fälle

Miss Marples letzte Fälle

Titel: Miss Marples letzte Fälle
Autoren: Agatha Christie
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allen, die es hören wollten, wie sicher der Safe sei. Das Resultat war, dass eines Nachts Einbrecher kamen, und sie schni t ten doch tatsächlich ein Loch in den Safe.«
    »Recht geschehen«, bemerkte Edward.
    »Aber der Safe war leer«, erklärte Miss Marple. »In Wirklichkeit bewahrte er nämlich sein Geld an einem ganz anderen Ort auf – hinter einer mehrbändigen Au s gabe frommer Sprüche und Predigten in der Bibliothek. Solche Bücher zögen die Leute nie aus den Regalen, sagte er.«
    »He!«, unterbrach Edward aufgeregt. »Das ist ein G e danke! Vielleicht in der Bibliothek.«
    Doch Charmian schüttelte nur verächtlich den Kopf.
    »Glaubst du, daran hätte ich nicht gedacht? Letzten Dienstag, als du in Portsmouth warst, habe ich sämtliche Bücher durchgesehen. Eines nach dem anderen habe ich herausgenommen und geschüttelt. Da ist nichts.«
    Edward seufzte. Dann raffte er sich zusammen und versuchte nunmehr, den enttäuschenden Gast auf mö g lichst taktvolle Art loszuwerden.
    »Es war sehr freundlich von Ihnen, mit uns hier heru n terzukommen und zu versuchen, uns zu helfen. Es tut mir leid, dass nichts dabei herausgekommen ist. Ich fürchte, wir haben Ihnen nur die Zeit gestohlen. Aber ich hole jetzt gleich den Wagen heraus, dann können Sie den Zug um fünfzehn Uhr dreißig – «
    »Aber nein«, unterbrach ihn Miss Marple. »Wir müssen doch noch das Geld finden, oder nicht? Sie dürfen die Flinte nicht ins Korn werfen, Mr Rossiter. Man muss für den Erfolg arbeiten.«
    »Soll das heißen, dass Sie – dass Sie es weiter versuchen wollen?«
    »Genau genommen«, gab Miss Marple zurück, »habe ich noch gar nicht begonnen. ›Erst fange man einen H a sen‹, wie Mrs Beaton in ihrem Kochbuch schreibt – ein prächtiges Buch, aber sündteuer; die meisten Rezepte beginnen mit den Worten: Man nehme einen halben Liter Sahne und ein Dutzend Eier. Hm, Augenblick, wo war ich gleich? Ach, ja. Also, den Hasen haben wir sozusagen jetzt gefangen – wobei der Hase natürlich Ihr Onkel Ma t thew ist. Nun müssen wir uns nur noch überlegen, wo er das Geld versteckt hätte. Das müsste eigentlich ganz ei n fach sein.«
    »Einfach?«, echote Charmian.
    »Gewiss, mein Kind. Ich bin überzeugt, er hätte das Nächstliegende getan. Ein Geheimfach – das ist mein Tipp.«
    »Goldbarren kann man nicht in einem Geheimfach ve r stecken«, stellte Edward trocken fest.
    »Nein, natürlich nicht. Aber es gibt keinen Anlass a n zunehmen, dass das Geld in Goldbarren steckt.«
    »Er hat doch immer gesagt – «
    »Ja, mein Onkel Henry hat auch immer von seinem Safe gesprochen. Ich vermute deshalb stark, dass das nur ein Täuschungsmanöver war. Diamanten – die ließen sich leicht in einem Geheimfach unterbringen.«
    »Aber wir haben doch in allen Geheimfächern nachg e sehen! Wir haben extra einen Schreiner kommen lassen, der sich die Möbel angesehen hat.«
    »Tatsächlich? Das war sehr klug von Ihnen. Ich würde sagen, dass der Schreibtisch Ihres Onkels am ehesten infrage kommt. Ist das der hohe Sekretär dort an der Wand?«
    »Ja. Ich zeige Ihnen alles.«
    Charmian ging zu dem Sekretär. Sie zog die Klappe herunter. Dahinter befanden sich viele kleine Fächer und Schubladen. Sie zog ein kleines Türchen in der Mitte auf und drückte auf eine Feder in der Schublade links davon. Der Boden des Mittelfachs glitt mit einem feinen Kn a cken nach vorn. Charmian zog ihn heraus. Darunter b e fand sich ein nicht sonderlich tiefes Fach. Es war leer.
    »So ein Zufall!«, rief Miss Marple. »Mein Onkel Henry hatte genau den gleichen Schreibtisch. Nur war seiner aus Walnuss, und der hier ist aus Mahagoni.«
    »Auf jeden Fall«, bemerkte Charmian, »ist das Fach leer, wie Sie sehen können.«
    »Ich nehme an«, gab Miss Marple zurück, »Ihr Schreiner war ein junger Mann. Nicht allzu bewandert. Die Leute jener Zeit waren sehr raffiniert, wenn sie geheime Verst e cke einbauten. Es gibt da häufig ein Geheimfach im G e heimfach.«
    Sie zog eine Nadel aus ihrem fest gedrehten grauen Haarknoten. Nachdem sie sie geradegebogen hatte, sen k te sie ihre Spitze in eine winzige Öffnung auf einer Seite des Geheimfachs, die wie ein Wurmloch aussah. Mit ein wenig Mühe zog sie eine kleine Schublade heraus. In ihr lagen ein Bündel vergilbter Briefe und ein zusammeng e faltetes Blatt Papier.
    Edward und Charmian stürzten sich gleichzeitig auf den Fund. Mit zitternden Fingern faltete Edward das Blatt Papier auseinander. Gleich darauf schleuderte er es
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