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Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept

Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept

Titel: Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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Wege.
    »So«, Jenny reibt sich die Hände, als wir den Seitenflügel der Gynäkologie betreten, »dann wollen wir mal ein paar Babys zur Welt bringen!«
    Nun, ganz so schnell geht es leider nicht. Zuerst kommt die uns schon bestens vertraute Vorstellung. Wir bauen uns brav am Empfangstresen auf und nennen der diensthabenden Schwester unsere Namen. Schwester Evelyn trägt eine Hochsteckfrisur, die Stunden gekostet haben muss, und dunkelroten Lippenstift. Überhaupt wirkt sie, als könnte sie auch den Empfang eines Hotels leiten. Eines sehr teuren Hotels. Ihr Tresen ist glänzend weiß und mustergültig aufgeräumt. »Willkommen«, nickt sie und lächelt unverbindlich, als sie unsere Namensschilder überden Tresen schiebt und uns die Logbücher aushändigt. Genauso gut könnte sie uns Zimmerschlüssel und Stadtpläne überreichen. Dann zückt sie einen Stationsplan und erklärt uns mithilfe eines geschlossenen Fineliners den Aufbau der Gynäkologie.
    Arztraum, geburtshilfliche Abteilung, Kreißsäle, Frühgeborene, Wöchnerinnen, allgemeine Gynäkologie. Der Fineliner zieht Kreise, ohne Spuren auf dem Papier zu hinterlassen, und tippt dann ein Stakkato auf dem Arztraum. »Jetzt melden Sie sich bitte hier.«
    Ich bedanke mich und greife nach dem Blatt, doch Evelyn hält es entschlossen fest. »Tut mir leid, das ist mein Exemplar.« Hä? Sie zieht zwei identische Pläne unter dem Tresen hervor und schiebt sie uns zu. Ich kann zwar keinen Unterschied zwischen ihrem und meinem erkennen, aber bitte. »Viel Erfolg bei uns!«, lächelt sie und macht eine Stewardessengeste in Richtung Arztraum. Damit sind wir entlassen.
    Jenny und ich schlendern grinsend davon. »Moneypenny«, zwinkert Jenny mir zu. »Sie glaubt wohl, sie managt die Chefetage von Sony.« Meinen Vergleich mit dem Hotelempfang findet sie noch treffender.
    Wir passieren die Büros der Stationsärztin und der Oberärztin (ich habe zum ersten Mal kein mulmiges Gefühl, wenn ich das Wort »Oberarzt« lese!) und finden den Arztraum.
    Hinter dieser Tür beginnt ein Babywunderland. Alle Wände sind übervoll behängt mit Geburtsmeldungen, Babyfotos, Dankeskarten. Babys in Stramplern, nackte Babys, mit Mutter und ohne, schlafende, schreiende und gähnende Babys. Selbst gebastelte Karten und Photoshop-Arbeiten, quietschbunte und schwarz-weiße.
    »Mann, Mann, Mann«, japst Jenny überfordert, »die ganze Wand ist nur von DIESEM JAHR!« Das sind mindestens 40 Bilder. Und wir haben erst Februar. Jenny lacht fassungslos. »Das ist ja herrlich! Wir werden Säuglinge aus Frauen ziehen wie am Fließband! Wo bitte ist meine Wand?!« Jenny würde sich am liebsten schon mal mindestens 2 mal 2 Meter Tapete frei machen,um Platz für ihre eigenen Geburtshilfedankeskarten zu schaffen. Aber ich glaube nicht, dass Entbindungen zu unseren Hauptaufgaben gehören werden.
    Direkt vor mir an der Wand hängt eine kleine gelbe Karte. Zwei Fotos desselben Babys sind darauf zu sehen; auf dem ersten sieht es aus wie ein kleines Vögelchen, winzig, ein Beatmungsschlauch ist an seiner Nase festgeklebt. Auf dem zweiten Bild ist der Wurm schon ein wenig größer, seine Gesichtsfarbe ein gesundes Rot, kein Schlauch mehr, der Kleine lächelt. »Danke«, steht auf der Karte, mehr nicht. Das will ich auch!
    Mein persönliches Ziel für dieses Tertial steht in diesem Moment felsenfest. Wenigstens EINEM EINZIGEN Baby möchte ich auf die Welt helfen. EIN Foto von so einem winzigen lächelnden Wesen möchte ich im Mai mit nach Hause nehmen können. Ich brauche keine ganze Wand voll. Nur eins. Aber das unbedingt.
    Die Tür öffnet sich; eine Frau kommt herein, die ich vom Sehen kenne, burschikoser Kurzhaarschnitt, Augenringe. Hinter ihr ein junger Mann und ein Mädchen in unserem Alter. »Dann sind wir ja komplett«, sagt der müde Kurzhaarschnitt. Es stellt sich heraus, dass sie die Stationsärztin ist, Dr. Seidler. Ihr Gefolge sind unsere Mit-PJler, nur diese beiden. Auf einer Wahlstation ist die PJler-Riege also viel kleiner. Na klar, alle sind freiwillig hier.
    Das Mädchen betrachtet die Babyausstellung so fasziniert wie wir, der Junge aber würdigt die Fotos keines Blickes. Ich frage mich, was ihn auf die Gynäkologie verschlagen hat, wenn er sich nicht mal für Babys zu interessieren scheint. Will er der Arzt werden, dem die Frauen vertrauen?
    Kurze Vorstellung – er heißt Patrick, sie Johanna, beide haben die Pflichttertiale an anderen Kliniken absolviert. Sie wirken nett, alles okay, können
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