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Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept

Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept

Titel: Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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die Flure vorauseilt, hat sie dasselbe Tempo drauf wie Dr. Thiersch, unsere Oberärztin aus der Chirurgie. Aber bei ihr ist es kein Stechschritt, dessen Absatztackern »Ich-bin-die-Chefin-ich-bin-die-Chefin« auf den Fußboden pocht. Es ist einfach das notwendige Tempo einer Ärztin, die zu viele wichtige Aufgaben vor sich hat, um zwischendurch die bunten Wandbilder zu besichtigen. Ihr Tonfall den Patienten gegenüber ist nicht so betörend wie der unseres Sonnyboy-Stationsarztes auf der Chirurgie, aber auch nicht so kühl und gemessen wie bei Dr. Ross von der Inneren. Dr. Seidler wirkt einfühlsam und verständnisvoll, aber sie ist definitiv keine »Tante Doktor«. Ich schätze, wir können mit ihr zufrieden sein.
    Als Nächstes besuchen wir die Wöchnerinnen: erschöpfte, müde Frauen, aber fast alle überglücklich. Das Strahlen, mit dem sie ihre Neugeborenen füttern oder einfach nur im Arm halten, lässt mein Verständnis für die geburtsverweigerungsentschlossene Frau Wehrt sofort verpuffen. Was kann denn schöner sein?!
    Doch es gibt auch Mütter, die ohne ihr Baby hier liegen. Die die Geburt überstanden und trotzdem das schlimmste Bangen noch vor sich haben. Denn Säuglinge, die nicht trinken, nicht aus eigener Kraft atmen können oder sonstige Hilfe benötigen, dürfen nicht bei der Mutter bleiben. Sie liegen zur Beobachtung auf der Frühchenstation. Als Dr. Seidler diese Glastür öffnet, macht mein Mädchenherz einen richtigen Satz. Ja, ich habe »Oh« gemacht. Und nicht nur ich, selbst der resoluten Jenny entschlüpft ein höchst weiblicher Seufzer. Diese winzigen Geschöpfe, so hilflos und anrührend …
    Mein Blick stockt an einem Inkubator. Das Frühgeborene darin wirkt durchsichtig, seine Haut ganz dünn. Mein Baby-Entzücken verschwindet in einem schwarzen Loch aus Mitleid. Es ist so winzig, viel zu klein für all die Schläuche.
    »Wird er … es schaffen?«, fragt Johanna leise neben mir.
    »Ich hoffe es doch«, entgegnet Dr. Seidler. Das tut weh, »hoffen«. Wir sind doch Ärzte; wir sollten nicht »hoffen« müssen.
    »Können wir irgendetwas für ihn tun?«, frage ich.
    Dr. Seidler schüttelt den Kopf. »Es wird alles getan. Und Sie werden auf der Frühchenstation sowieso nicht eingesetzt. Ich zeige es Ihnen nur, damit Sie wissen, was das Ziel unserer Arbeit ist.« Sie sieht uns ernst an. »Dass so wenig Würmchen wie nur irgend möglich hier liegen müssen.« Wir nicken alle.
    Dr. Seidlers Pieper geht. »Ich muss«, ruft sie und ist schon auf dem Weg zur Tür. »Die allgemeine Gynäkologie zeige ich Ihnen später. Und den Kollegen stellen Sie sich bitte einfach selbst vor.« Hä? Okay … und unsere Aufgaben?
    Etwas verwirrt trotten wir zurück zum Arztraum. »Dann machen wir jetzt erst mal Mittag?«, schlägt Patrick vor. Aber davon wollen wir anderen nichts hören. Einfach irgendwo anfangen können wir natürlich auch nicht, selbst wenn Jenny grinsend erklärt, wir könnten ja die erste Schwangere, die uns über den Weg rollt, schon mal entbinden. Wir beschließen, uns wie empfohlen bei den anderen Ärzten vorzustellen – vielleicht wissen die ja, wie wir uns nützlich machen sollen.
    Der Arztraum ist leer. Die drei Schwestern, die auf dem Gang an uns vorbeihetzen, nicken uns knapp zu und stürmen weiter.
    Im Empfangsbereich erwartet uns dieselbe sterile Stille wie heute Morgen, Schwester Evelyn tippt zwar in Windeseile etwas in ihren Computer, dies jedoch völlig geräuschlos. Sie hebt den Kopf und sieht uns erwartungsvoll an. »Wie kann ich helfen?«
    Wir sind alle vier etwas sprachlos. WIR sind doch die, die helfen wollen. Jenny grinst sie an. »Wir brauchen Ärzte, Schwestern, irgendwelches Personal. Wir sollen uns vorstellen.«
    Schwester Evelyn formt ihren dunkelroten Lippenstiftmund zu einem empörten O. »Ich kann doch niemanden anpiepen, nur um Ihnen Unterhaltung zu verschaffen.«
    Also langsam kriege ich einen kleinen Anflug von Irrenhaus-Gefühl. »Wir sind zum Arbeiten hier«, sage ich ruhig unddeutlich. »Die Vorstellung können wir gern verschieben, aber vielleicht können Sie uns ja wenigstens sagen, was wir tun sollen, bis Dr. Seidler zurückkommt?«
    »Natürlich. Es wird ja auch höchste Zeit, dass Sie sich nützlich machen.« Evelyn erhebt sich, stapelt sich einen Schwung Akten auf den Arm und stolziert uns voran zum Vorbereitungsraum. Und da sind sie – die obligatorischen Stationswagen.
    »Blutentnahme«, lächelt Evelyn Patrick zu und schiebt ihm einen
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