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Miramar

Titel: Miramar
Autoren: Nagib Machfus
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Platz zurück und sagte: »Ich war eine Dame, eine wirkliche
Dame.«
    »Sie sind heute noch eine Dame, meine
Liebe.«
    »Trinken Sie noch wie in früheren Zeiten?«
    »Ein Gläschen am Abend. Ich nehme nur
noch ganz leichte Kost zu mir.
    Darum bin ich trotz meines hohen Alters
noch so rüstig.«
    »Oh, Monsieur Amir. Sie sagten,
Alexandria habe nicht seinesgleichen.
    Nein, die Stadt ist nicht mehr so, wie
wir sie früher kannten. Heute sieht man hier den Abfall auf den Straßen
liegen.«
    »Meine Liebe«, erklärte ich mitfühlend,
»sie muß eben ihren eigentlichen Bewohnern wiedergegeben werden!«
    »Aber wir sind es, die sie geschaffen
haben!« protestierte sie erregt.
    »Liebe Mariana, trinken Sie denn wie in
früheren Zeiten?«
    »Nein, nicht ein einziges Glas mehr.
Ich leide unter Bluthochdruck wegen meiner Nieren.«
    »Am besten wäre, man stellte uns
nebeneinander ins Museum. Aber versprechen Sie mir bitte, daß Sie nicht vor mir
sterben!«
    »Monsieur Amir, die erste Revolution
hat mir meinen ersten Mann genommen, die zweite hat mich um mein Geld und meine
Leute gebracht.
    Warum das alles?«
    »Sie leben doch, Gott sei Dank, in
gesicherten materiellen Verhältnissen, und heute sind wir Ihre Leute.
Dergleichen passiert in der Welt jeden Tag von neuem.«
    »Was ist das nur für eine Welt!«
    »Wollen wir nicht von dem französischen
auf einen arabischen Sender umstellen?«
    »Nur an dem Abend, wo die Lieder von
Umm Kulthum gespielt werden.
    Sonst gibt es für mich keinen anderen
Sender!«
    »Wie Sie wünschen, meine Liebe.«
    »Sagen Sie mir doch, warum quälen
Menschen sich gegenseitig? Und warum werden wir immer älter?«
    Ich lachte, ohne etwas darauf zu
antworten. Dann ließ ich den Blick über die Wände schweifen, auf die Marianas
Vergangenheit ihre Spuren gezeichnet hatte. Da hing das Bild des Kapitäns in
Uniform mit hoher Mütze und dickem Schnurrbart, ihr erster Mann, vielleicht
auch ihr erster und letzter Geliebter, der in der Revolution von 1919 getötet
worden war. An der gegenüberliegenden Wand über dem Schreibtisch das Bild ihrer
alten Mutter. Sie war Lehrerin gewesen. Im Blickfeld im Saal hinter dem
Wandschirm hing das Foto ihres zweiten Mannes, des Kaviarkönigs und Besitzers
des Ibrahimijja-Palais. Er hatte eines Tages Bankrott gemacht und Selbstmord
begangen.
    »Wann haben Sie eigentlich die Pension
eröffnet?«
    »Fragen Sie mich bitte lieber, wann ich
sie eröffnen mußte!«
    »Im Jahre 1925«, sagte sie dann.
    Im Jahr des Unglücks und der
Ärgernisse.
    »Da sitze ich wie ein
Gefangener im eigenen Hause, und dem König werden die Unterstützungsschreiben
zugesandt!«
    »Das ist doch alles nur Lüge und
Erfindung, Exzellenz.«
    »Und ich dachte immer, die Revolution
hätte die Menschen von ihren Schwächen geläutert.«
    »Die Substanz ist Gott sei Dank immer
noch in Ordnung. Ich lese Ihnen den Artikel von morgen vor, Euer Gnaden.«
    Sie rieb sich das Gesicht mit
Zitronensaft ein und sagte: »Ich war eine Dame, Monsieur Amir. Ich liebte das
süße Leben, liebte Licht und Pracht und Luxus, liebte elegante Kleider und
vornehme Salons. Ich überstrahlte alle anderen Gäste wie die Sonne.«
    »Das habe ich mit eigenen Augen
gesehen.«
    »Aber Sie haben nur die
Pensionsinhaberin kennengelernt. «
    »Auch sie leuchtete wie die Sonne.«
    »Die Gäste waren vornehme Leute, aber
das war kein Trost für meinen sozialen Abstieg.«
    »Sie sind immer noch eine richtige
Dame!«
    Sie nickte mit dem Kopf und fragte
dann: »Und Ihre Freunde von früher, was ist aus ihnen geworden?«
    »Was das Schicksal über sie verhängt
hat.«
    »Warum haben Sie nicht geheiratet,
Monsieur Amir?«
    »Ich hatte Pech. Hätten wir wenigstens
Kinder!«
    »Oh ... , keiner meiner beiden
Ehemänner war fähig, ein Kind zu zeugen!«
    Ich bin ziemlich sicher, daß du
diejenige bist, die nicht fähig war, ein Kind zu bekommen. Das ist schon
deswegen bedauerlich, weil wir nur in der Welt sind, um Kinder in sie zu
setzen.
    Jenes große Haus, das
später in ein Hotel umgewandelt wurde und das jedem, der über den Gaafar-Khan
geht, wie eine alte Festung vorkommt, sein alter Hof, durch den dann ein Weg
zum Khan al-Khalili angelegt wurde, sie sind eingemeißelt in meinem Herzen, sie
und die alten Häuser darum herum und der uralte Club. Sie prägen meine
Erinnerung an den Rausch der ersten Liebe, die zur Hoffnungslosigkeit
verurteilt war. Der Turban und der weiße Bart und harte Lippen, die »Nein«
sagten, die in blindem Fanatismus
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