Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Miramar

Titel: Miramar
Autoren: Nagib Machfus
Vom Netzwerk:
Art des Zeitvertreibs suche, so ist im Erdgeschoß das Cafe Miramar. Es
ist höchst unwahrscheinlich, daß ich irgendwo jemanden treffe, den ich kenne
oder der mich kennt, nicht einmal im Trianon.
    Die Freunde von früher sind nicht mehr
da, diese Zeiten sind vorbei. Ich weiß, wie du im Winter bist, Alexandria. Bei Sonnenuntergang
kehrst du deine Straßen und Plätze leer, und nur noch der Wind, der Regen und
die Einsamkeit treiben ihr Spiel in ihnen. Aber in deinen Zimmern pflegt man
trauliche Zwiegespräche und plaudert des Abends und nachts miteinander.
    »Dieser Greis, diese
Mumie im schwarzen Anzug, ist wohl ein Überlebender der Arche Noah!«
    Derjenige, den die Zeit, diese
Komödiantin, zum Chefredakteur gemacht hatte, meinte: »Diese altarabische
Rhetorik, die Sie verwenden, ist passe.
    Können Sie denn nicht im Stil des
Düsenzeitalters schreiben?«
    Düsenzeitalter! O du Marionette, die
vor Fett und Dummheit birst! Die Feder wurde für Menschen erfunden, die
Verstand und Geschmack besitzen, nicht für verrückte Randalierer, die als
Dauergäste in Spielklubs und Nachtbars fungieren. Aber das Schicksal hat uns
dazu verdammt, zeit unseres Lebens im Gefolge von Kollegen zu arbeiten, die neu
sind im Gewerbe.
    Sie haben ihr Wissen im Zirkus aufgeschnappt
und sind nun in die Redaktionen eingefallen, um in der Rolle von Seiltänzern zu
brillieren.
    Ich saß im Morgenmantel
im Sessel, während Mariana es sich auf dem schwarzen Kanapee bequem gemacht hatte.
Aus dem Radio erklang Tanzmusik von einem französischen Sender. Ich hätte
lieber etwas anderes gehört, aber ich wollte sie nicht stören. Sie hielt die
Augen geschlossen, als ob sie träume, und wiegte den Kopf im Takt wie früher.
    »Wir waren Freunde und sind es noch
immer, meine Liebe.«
    »Ein ganzes Leben lang.«
    »Aber wir haben uns nicht ein einziges
Mal geliebt.« Sie lachte auf und sagte dann: »Sie haben doch einen Hang zur
Provinz, bestreiten Sie es nicht!«
    »Bis auf ein einziges Mal, erinnern Sie
sich noch?« Diesmal lachte sie lange und bestätigte dann: »Ja, einmal kamen Sie
mit einer Khawagijja, und ich habe von Ihnen verlangt, daß Sie sich als ›Amir
Wagdi und Frau‹ eintrügen.«
    »Noch etwas anderes hat mich Ihnen fern
gehalten: Sie waren eine Luxusfrau. Das Monopol auf Sie hatten die Spitzen der
Gesellschaft.«
    Sie strahlte in vollkommenem Glück.
Mariana, für mich ist es sehr wichtig, daß du mich überlebst, und sei es nur um
einen einzigen Tag, damit ich mir nicht noch eine andere Bleibe suchen muß.
Mariana, du bist ein lebendiges Zeugnis dafür, daß die Vergangenheit keine
Einbildung ist, von der Zeit des Imams Mohammed Abduh bis heute.
    »Leben Sie wohl, Ustas!«
    Er warf mir einen verdrießlichen Blick
zu, denn er ärgerte sich jedesmal, wenn er mich sah.
    »Es ist an der Zeit, daß ich mich
verabschiede!« fuhr ich fort.
    »Ein schwerer Verlust für mich«, sagte
er und verbarg seine Erleichterung,
    »aber ich wünsche Ihnen alles Gute!«
    Damit war alles zu Ende. Eine Seite der
Geschichte wurde umgeschlagen, ohne ein Abschiedswort, geschweige denn eine ehrende
Abschiedsfeier oder vielleicht auch nur eine kleine Meldung im Stil des Düsenzeitalters.
O ihr Feiglinge, ihr Patrioten, habt ihr keine Helden außer Fußballspielern?
    Ich schaute sie unverwandt an, wie sie
da unter dem Jungfrauenbild saß, und sagte dann: »Nicht einmal die schöne
Helena in ihrer besten Zeit war so attraktiv!«
    »Bevor Sie kamen, saß ich hier immer
allein«, lachte sie, »ich erwartete niemanden mehr, war ständig von einer
Nierenkolik bedroht.«
    »Das kommt hoffentlich so bald nicht wieder!
Aber was ist aus Ihren Leuten geworden?«
    »Sie sind alle ausgewandert«, seufzte
sie, verzog den faltigen Mund und fuhr dann fort: »Ich wußte nicht, wohin ich
gehen sollte. Athen habe ich niemals in meinem Leben gesehen. Ich bin hier
geboren. Die kleinen Pensionen werden jedenfalls nicht verstaatlicht.«
    Wahrhaftigkeit der Rede, Hingabe zur
Arbeit und Zuneigung unter den Menschen anstelle von Gesetzen — dafür stehe ich
ein ... Wie gut hast du damals gesprochen! Gott hat dich geehrt, daß er dich zur
rechten Zeit sterben ließ und mit zwei Statuen zu deinem Andenken.
    »Ägypten ist doch Ihre
Heimat, und Alexandria hat nicht seinesgleichen!«
    Draußen heulte der Wind. Langsam senkte
sich die Dunkelheit hernieder.
    Sie stand auf und zündete drei Kerzen
eines Kronleuchters an, der unten in eine Art Weintraube auslief. Dann ging sie
wieder zu ihrem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher