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Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1
Autoren: Marion Chesney
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Lord S.«, sagte er. »Irgend jemand hat den
Buchstaben sehr geschickt geändert. Ich nehme an, du wirst auch der Ansicht
ein, daß da ursprünglich Lord B. stand.«
    »Was! Laß
mich sehen!« rief der Pfarrer. Er kniff seine kleinen Augen zusammen und nahm
das Papier mit Hilfe des Glases genau in Augenschein. »Verflixt, du hast
recht, Jimmy! Das ist ja ein starkes Stück. Aber es erklärt immer noch nicht
Sylvesters Verhalten. Es erklärt nur Minervas.«
    Der Squire
sank in seinen Sessel zurück und legte die Fingerspitzen aneinander. Wieder
folgte eine lange Stille. Die Uhr tickte, der Wind rüttelte an den Fenstern,
und ein Holzscheit verrutschte und fiel ins Feuer.
    Der Squire
dachte über Minerva nach, vielmehr über die zwei Minervas, über die eine, die
sich streng im Zaum hielt, die spröde und korrekt war, und über die andere, die
eine eigenwillige, leidenschaftliche Frau war und gelegentlich die Oberhand
über die erste Minerva gewann.
    Minerva war
jedenfalls eine Frau, und unter bestimmten Umständen machten Frauen – sogar
intelligente Frauen – immer dieselben dummen Sachen.
    Er hob
einen knorrigen Finger und schaute den Pfarrer feierlich an.
    «Ich bin
der Meinung, daß es etwas gibt, was Minerva dir nicht gesagt hat ...«
    »Und das
wäre?« fragte der Pfarrer schnell.
    »Daß sie
Lord Sylvester einen Brief geschrieben hat. Sie war verletzt und wütend, mußt
du dir vorstellen. Sag mir eins, Charles, wann hat je eine verletzte und
wütende Frau keinen Brief geschrieben?«
    »Aber sie
hätte es mir erzählt ...«
    »Nicht
unbedingt. Nicht wenn es ein wirklich böser Brief war, für den sie sich
heimlich geschämt hat.«
    »Sicherlich
...«
    »Selbst
wohlerzogene Frauen können sehr grob werden, wenn sie gekränkt sind. Glaub mir,
Miß Minerva hat wahrscheinlich ziemlich schockierende Sachen geschrieben.«
    »Dann muß
ich ihr sagen, daß ich Bescheid weiß, und muß sie
dazu bringen, daß sie ihm schreibt und sich entschuldigt.«
    »Nein, denn
es kann sein, daß sie es weiter abstreitet. Wie die Frauen so sind, denkt sie
vielleicht im stillen, er hätte nichts auf ihren Brief gegeben, wenn er sie
wirklich liebte.«
    »Verflixt
noch mal, was soll ich denn dann tun?«
    Der Squire
lächelte schelmisch. »Wir beide, mein lieber Charles, stecken unsere alten
Köpfe zusammen und schreiben Lord
Sylvester einen Brief – mit Minervas Unterschrift natürlich –, auf dem
schnellsten Wege wird Ihre Lordschaft dann nach Hopeworth reisen.«
    »Und was,
wenn er sie nicht liebt?«
    »Ich
glaube, er liebt sie. Wir haben nichts zu verlieren. Weißt du, wenn wir Minerva
überreden, Lord Sylvester einen Brief zu schreiben, und er antwortet nicht,
dann ist sie verletzter denn je. So ist es viel besser.«
    »Ich weiß
nicht, ob ich so ein sentimentales Gewäsch hinkriege«, sagte der Pfarrer
verdrießlich.
    »Ach was,
wir machen uns noch eine Flasche auf, Charles, und träumen von unserer Jugend,
und dann wirst du schon sehen ...«
    Lord Sylvester Comfrey hatte in London
die ›Kleine Saison‹ mitgemacht und war jetzt froh, daß es Zeit war, aufs
Land zurückzukehren. Er wollte den Marquis von Brabington mitnehmen.
    Der Marquis
war drauf und dran gewesen, zu seinem Regiment in Spanien zurückzukehren, aber
bevor er sich einschiffen konnte, warf ihn ein heftiges Fieber von neuem aufs
Krankenlager, und er war gerade erst davon genesen.
    Er fand die
Zerstreuungen in London genauso langweilig wie Lord Sylvester. Beide konnten
sie es kaum erwarten, den Staub der Stadt von den Füßen zu schütteln.
    Der Marquis
dachte manchmal, daß Sylvester einem Mann, der eine schwere Krankheit
durchgemacht hatte, ähnlicher sah als er selbst. Lord Sylvester war kurz
angebunden und in sich gekehrt, seit Minerva aus London weggegangen war. Der
Marquis wußte, daß sie seinem Freund einen Brief geschickt hatte und daß dessen
Inhalt offenbar ganz schrecklich war, aus dem tief betroffenen Ausdruck in Lord
Sylvesters Augen zu schließen.
    Lord
Sylvester hatte den Marquis gefragt, was er zu Minerva gesagt hatte und ob er
ihr von seiner, Lord Sylvesters, Liebe erzählt habe. Und der Marquis hatte
schuldbewußt geantwortet, daß er sich an kein einziges Detail seines Besuches
erinnern könne.
    Lord
Sylvester selbst hatte so ausgiebig und wild nach seinem Duell gefeiert, daß er
eingeschlafen war, nachdem er den Marquis beauftragt hatte, zu Minerva zu
gehen, da er nicht vor seiner Geliebten in betrunkenem Zustand erscheinen
wollte. Er war erst
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