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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry
Autoren: Astrid Paprotta
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kennt.« Sie richtete sich auf. »Oder glauben Sie, die hat das selbst veranstaltet?«
    »Tür ist okay. Schloß auch.« Stocker schob die Hände in die Hosentaschen, kratzte mit der Schuhspitze auf dem Teppich herum. »Sie können schon ’ne Weile ritzen, bevor Sie hinüber sind.«
    »Hier, beide Handgelenke, beide Armbeugen, Stirn, Wangen. Außerdem ist die Nase – das ist doch keine Nase mehr, so ausdauernd können Sie gar nicht an sich fummeln.«
    »Ich weiß es nicht.« Er seufzte.
    »Da wurde doch draufgeschlagen. Auf die Nase.«
    »Kann sein.« Stocker ging im Zimmer herum, es war winzig. Als der Gerichtsmediziner kam, Fotograf und Spurensicherung, rempelten sie sich gegenseitig an. Vier Schritte und er war an der Tür, wo der junge Schutzpolizist stand, hin und her wippend, bleich, die Hände auf dem Rücken verschränkt.
    »Also –« sagte Stocker.
    Der Junge fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Die Zeugin, sie ist unten –«
    »Das ist keine Zeugin«, unterbrach Ina Henkel.
    »Ja, ähm, natürlich nicht. Also sie hier« – flüchtig deutete er auf die Tote – »sie sollte, sie wollte in Urlaub fahren. Die Zeu – diejenige, die sie gefunden hat, sie hat das angenommen. Eine Frau Benz. Also, die Frau unten, die heißt Benz. Es war so ausgemacht, daß sie die Blumen hier gießt, weil sie ja« – wieder deutete er auf die Tote – »weil sie in Urlaub fahren wollte. Die Frau Benz hatte einen Schlüssel für die Wohnung. Sie hat sie letzte Woche zuletzt gesehen, hat angenommen, sie sei seit gestern in Urlaub.«
    Stocker nickte, und der Junge schnappte nach Luft. »Soll ich sie hereinholen?«
    »Bloß nicht«, sagte Ina Henkel.
    »Sie hat, ähm, sie heißt« – er blätterte in seinem Notizbuch – »Bischof, Julia. Wie der Bischof. Ja, und dann sagte sie noch, also, die Frau Benz sagte, ein Kater müßte versorgt werden. Abraham.«
    »Das ist wichtig.« Ina Henkel kramte in ihrer Schultertasche. »Abraham. Das haben Sie notiert?«
    Der junge Beamte nickte.
    Ina Henkel sah sich um, als sei der Kater irgendwo versteckt. »Warum haben die immer so bescheuerte Namen? Hunde nicht, bloß Katzen. Der Kater von meiner Nachbarin heißt Johann Sebastian, das muß man sich vorstellen. An dem Sofa haben Sie nichts gemacht?«
    Der Junge zuckte zusammen, kam zwei Schritte ins Zimmer. »Ich war gar nicht da in der Nähe, ich meine –«
    »Fenster geöffnet?«
    »Nein. Nein.«
    »Das war offen?«
    » Ja. «
    »Ich frag ja nur.«
    »Ja.« Er starrte sie an, sein Gesicht hatte sich gerötet.
    »Wäre ja normal, wenn man gleich die Fenster aufreißt«, sagte sie. »Als erste Hilfe, meine ich. Wir hatten letztens einen, der hat –«
    »Der Kollege unten hat das Tier.« Er sah aus, als wolle er gleich den Fuß auf den Boden stampfen.
    »Was, die Katze?«
    Er nickte. »Kam durchs Fenster. Ist jetzt unten im Wagen. Muß vielleicht verwertet werden.«
    »Muß was? «Ina Henkel sah zum Fenster. »Einschläfern?«
    »Oder so.« Er nickte.
    »Tierheime sind voll«, sagte Stocker. Er hatte seinen Gang durch das Zimmer wieder aufgenommen. »Typische Frauenwohnung. Die haben immer Unmengen von Kissen kreuz und quer auf dem Sofa liegen, wo soll man sich da hinsetzen?«
    Der Gerichtsmediziner sah hoch, ein Mann namens Fuchs, was sie im Präsidium schreiend komisch fanden, denn er hatte rotes Haar. Er hockte vor der Toten auf einer Plastiktüte. »Also, ich schätze mal: zweiundsiebzig Stunden sitzt sie hier. Grobe Schätzung.«
    »Handarbeit?« Ina Henkel stellte sich so hin, daß sie nicht mitten im Blut stand.
    »Wäre abenteuerlich.«
    »Wegen der Zuständigkeit, weil –«
    »Ja?« Fuchs sah hoch.
    »Ich meine, ich bin dankbar für jeden Suizid, ich hab« – ihre Stimme zitterte – »hundert Überstunden oder so.« Sie stieß die Luft durch die Nase, als Fuchs einen Ring vom Finger der Toten zog.
    »Was ist?«
    Sie sagte: »Die Fingernägel sind frisch gemacht.«
    »Was meinst du?«
    »Ja, die hat sich die Nägel frisch lackiert.«
    »Sehe ich nicht«, sagte Fuchs.
    »Hat sie aber.«
    »Wenn du meinst«, sagte Fuchs.
    Stocker untersuchte das Bücherregal; wenige Bücher, viele Zeitschriften, Stofftiere und Vasen.
    »So schräge Wände und Ikea-Möbel möchte ich nicht haben.« Seine Stimme klang dumpf. Im Treppenhaus die Stimmen von Nachbarn.
    »Ich könnte nicht in Ikea-Möbeln.«
    »Das verlangt ja auch keiner.« Ina Henkel kauerte sich vor den kleinen Sofatisch. Katzensnack, eine Portugalkarte, eine leere
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