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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry
Autoren: Astrid Paprotta
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heißt nein. Die Mordkommission. Bei Todesfällen«, fügte er hinzu. »Bei solchen.«
    Der junge Polizist sagte: »Die kommen auch bei Bränden«, dann war es wieder still. Sie standen steif im Flur herum und Biggi sah zu, wie der junge Polizist sich kratzte.

2
    Die Meldung des Beamten Hieber erreichte Ina Henkel, als sie in der Bildzeitung ihr Horoskop las. Skorpionen riet man, die Nerven zu behalten. Sie faltete die Zeitung so schnell zusammen, daß sie als Papierknäuel auf dem Tisch lag. Stocker sagte, das müsse am Zoo sein. »Wo denn genau?« Ina Henkel nahm die Autoschlüssel; Stocker weigerte sich zu fahren.
    »Gucken Sie im Stadtplan nach.« Er preßte einen Handrücken gegen die Stirn.
    »Falls Sie wieder Kopfweh haben, liegt das am Wetter. Es liegt immer am Wetter.« Sie schlenkerte mit den Schlüsseln vor seinen Augen. »Sie schlafen nicht oder Sie schlafen zuviel, haben hohen Blutdruck oder gar keinen, Sie sind impotent, haben diese Beziehungsstörungen, sind appetitlos oder fressen sich blöd und es ist das Wetter. Damit haben Sie nämlich –«
    »Ist gut«, sagte Stocker.
    »Und ich hab den Spülkram von einer Woche.«
    »Das liegt am Wetter, oder was?« Er kam drei Schritte hinter ihr her.
    »Meine Spülmaschine ist kaputt, ich erreiche niemanden, die machen ja immer schon um vier Uhr Feierabend, dann vergesse ich anzurufen und prompt ist niemand mehr – ich war vorgestern bis neun hier, ich war gestern bis halb elf hier, ich bin – ich weiß auch nicht. Die machen um vier Uhr Feierabend –«
    »Das haben Sie gerade gesagt.«
    »– und haben noch nicht mal einen Notdienst.« Sie kramte in ihrer Schultertasche, bis sie den Flakon mit dem ätherischen Öl fand, Mandarine. In der Schreibtischschublade hatte sie noch Rosenholz und Zitrone.
    Stocker lachte. »Der hat nichts von Verwesung gesagt, oder?«
    »Ich tu mir das nicht an. Der klang merkwürdig.«
    Er hob einen Finger. »Das geht auf die Lunge, das Zeug.«
    »Was, die Öle? Sie haben ja einen Knall.«
    »Esoterisch ist das.« Stocker klopfte aufs Autodach. »Lupfen Sie Ihren Ausschnitt und schnuppern Sie am Parfüm. Da haben Sie ja wieder die ganze Flasche verschüttet. Sie brauchten eine Sonderzulage für Ihre Duftsammlung, Frau Henkel.«
    Am Vormittag waren sie in einem Haus gewesen, das hatte nach Essen gerochen, nach einem Gemisch aus Hühnersuppe und etwas Verbranntem, weiter oben nach Kaffee. Eine Frau war hier erdrosselt worden, ihr Mann war seit der Tat verschwunden. Mit ihren Ausweisen hatten sie vor der Tür der Nachbarin gestanden, einer alten Frau, die sagte: »Kripoausweise kann man fälschen. Nachher sind Sie Trickdiebe.«
    »Haben Sie den Herrn Meurer in den letzten Tagen gesehen?«
    »Sie könnten Trickdiebe sein.«
    »Nein, rufen Sie im Präsidium an.« Ina Henkel hatte ihr den Ausweis in die Hand gedrückt.
    »Sind Sie das?«
    »Ja.«
    »Sie sehen nicht so aus.« Die alte Frau setzte ihre Brille auf. »Den Meurer sehe ich nie. Den höre ich auch nie, und wenn ich ihn mal sehe, grüßt er nicht. Der hat seine Frau verprügelt, die hab ich gehört. Ich glaube, der ist untergetaucht, verstehen Sie? Hat sich verdrückt. Suchen Sie doch im Fernsehen nach ihm. In XY. «
    »So schnell geht das nicht.«
    »So, das geht nicht, na ja, es hat ja keiner mehr Mumm.« Sie nahm die Brille wieder ab und stieß sie Ina Henkel in den Magen. »Mein Sohn, wenn der hier wäre, der würde diesen Asozialen mit einer Baseballkeule verdreschen.«
    »Ja?«
    »Ja, Baseballkeule. Was dachten Sie denn, einem Schirm?«
    »Also nix?« Stocker war schon an der Treppe.
    »Was heißt nix? «Sie fuchtelte mit ihrer Brille. »Ziehen nur noch Ausländer ein, draußen auf der Straße brüllen sie herum. Die prügeln sich vor meinem Schlafzimmerfenster, ganze Banden sind da unterwegs, da machen Sie ja nichts gegen. Die schmeißen Bierflaschen hin. Keiner kümmert sich im Haus, keiner putzt mehr die Treppe. Jetzt hat der Meurer seine Frau ermordet.«
    »Das kann man so nicht sagen.«
    »Wie kann man es denn sagen? Sagen Sie mir das.«
    Stocker hatte gestöhnt.
    Er stöhnte jetzt auch, als er das Handschuhfach öffnete. Kassetten fielen heraus, beschriftet mit Namen von Musikern, die er nicht kannte. Ina Henkel hatte ihm einmal erklärt, es seien keine Musiker, sondern Bands. Er hatte erwidert, Bands machten keine Musik. Kaugummi und Schokoriegel, Aspirin und Magentabletten; er bekam den Stadtplan nicht zu fassen und schmiß alles auf den Boden. »Diese andere«,
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