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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry
Autoren: Astrid Paprotta
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den Wänden. Zwei Schreibtische, ein Wandschrank, Rollschränke. Zwei Besucherstühle, die sie vielleicht als Verhörstühle benutzten. Tastaturen auf den Schreibtischen, Aktenordner, Hefter, lose Blätter und ein Monitor auf einem schwenkbaren Arm. Die Polizistin, Biggi wußte noch, daß sie Henkel hieß, schleuderte ihren Mantel auf die Fensterbank, setzte sich hinter den Schreibtisch, rollte ein Stück zurück und sagte: »Sie hatten einen Schlüssel für die Wohnung.« Ihre Stimme klang furchtbar müde.
    Biggi war sicher gewesen, daß sie anders anfangen würde, hier, wo sie allein waren. Sie hätte etwas sagen müssen wie Es muß sie sehr mitgenommen haben oder Es muß ein schrecklicher Anblick gewesen sein, vielleicht nicht direkt mit diesen Worten, aber ähnlich. Es hatte mit Biggis Vorstellungen zu tun; die ganze Zeit wartete sie darauf, daß jemand von der Kripo darauf einging, was sie gesehen hatte. Wie es war, in die Wohnung zu kommen, einfach ins Wohnzimmer zu gehen, zum Fenster zu gucken, wo die Gießkanne stand, den Kater zu suchen, Julia zu sehen, Julia eigentlich nicht zu sehen, nur das Blut und das zerschlagene Gesicht. Das tat man doch. Die Polizistin hätte fragen müssen: Wie haben Sie das durchgestanden? Sie bot ihr auch keinen Kaffee an.
    »Frau Benz?«
    »Ja, sie hat mir einen Schlüssel gegeben, weil sie in Urlaub fahren wollte. Nach Portugal. Ich sollte die Pflanzen gießen und den Kater füttern.« Biggi holte Luft, als wäre sie ewig gerannt.
    »Waren Sie befreundet?« Die Polizistin saß völlig bewegungslos da, mit übereinandergeschlagenen Beinen, die Arme locker auf den Stuhllehnen. Enges schwarzes T-Shirt, Body wahrscheinlich. Sie sah aus, als könnte sie Männer haben, sah aus, als könnte sie wählen. Auch ihr Blick war bewegungslos, wenn das möglich war. Ihre Augen schimmerten in einem so dunklen Blau, daß Biggi den Eindruck hatte, sie ließen nichts durch.
    »Nein. Nicht direkt befreundet. Wir kannten uns. Wir sind manchmal ein Bier trinken gegangen.« Wie man das sagte, wenn man meistens Wasser, Cola oder Wein trank.
    »Hatte sie Angehörige?«
    »Ihre Mutter. Aber sie hat mal gesagt, sie hätten keinen Kontakt. Ihr Vater ist gestorben, glaube ich. Sie schreiben sich wohl Geburtstagskarten und so, ich weiß nicht, wo sie wohnt. Von Freunden weiß ich auch nichts. Sie hatte Kollegen.«
    Die Polizistin sagte nichts, man sollte meinen, sie schlafe gleich ein. Offenbar konnte sie mit der Stille umgehen, Biggi konnte das nicht, sie fand, sie müßte jetzt unbedingt wieder etwas sagen, irgendwas. Vor der Frau auf dem Tisch lag ein grüner Schnellhefter, auf dem KOK Henkel z-K. stand. Biggi räusperte sich und fragte, was das bedeute.
    »Das ist Amtskauderwelsch«
    »Ja schon, aber was bedeutet es?«
    »Zur Kenntnisnahme.«
    »Ich meine KOK. «
    Die Frau seufzte, sagte: »Kriminaloberkommissarin.«
    »Sind Sie das?«
    »Ja, wenn’s da steht.«
    Oberkommissarin – Biggi lehnte sich jetzt auch zurück. Die ganze Zeit hatte sie vornübergebeugt gesessen, auf der Stuhlkante, so wie die Leute auf Ämtern sitzen. »Haben Sie Julia angefaßt?«
    KOK Henkel machte ein Geräusch, als würde sie pfeifen. »Haben Sie es?«
    Biggi schüttelte den Kopf. »Ich habe Julia gesehen. Dann habe ich die Polizei angerufen. Draußen, von der Zelle aus. Ich wollte nicht zu den Nachbarn.«
    »Kennen Sie die Nachbarn?«
    »Nein.«
    »Den von gegenüber zum Beispiel?«
    »Nein.«
    »Hat Julia mal über Nachbarn geredet?«
    »Nein«, sagte Biggi. »Sie hatte wohl keinen Kontakt zu denen.«
    Die Henkel machte wieder Pause, bevor sie fragte: »Haben Sie sich in der Wohnung aufgehalten? Irgend etwas dort gemacht?«
    Hörte sie nicht zu? »Ich habe sie gesehen und die Polizei gerufen, was hätte ich machen sollen? Sie saß da. Niemand wußte es. Sie saß die ganze Zeit –«
    »Ja«, sagte die Henkel und dann: »Ist Ihnen etwas am Türschloß aufgefallen? War die Tür abgeschlossen?«
    »Ich weiß nicht.« Biggi senkte den Kopf. Sie rückte auf dem Stuhl wieder ein wenig nach vorn. Julias Gesicht und all das Blut schienen die Frau nicht zu interessieren. Sie sah wohl massenhaft solche Gesichter, aufgeritzte Gesichter, Blut, vielleicht aß sie ihr Frühstücksbrot dabei.
    »Wie oft ließ sich der Schlüssel im Schloß drehen? Wissen Sie das noch?«
    »Wie oft –« Als Biggi aufblickte, sah sie wieder in diese dunkelblauen Augen der Polizistin, die sie anstarrten ohne zu blinzeln. »Na ja–«
    »Frau Benz, das ist
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