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Milchschaum

Milchschaum

Titel: Milchschaum
Autoren: Mehler
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Hauses kam, begann sie zu winken.
    »Sie will zu mir«, sagte Frau Praml erstaunt.
    Prima, dachte Fanni, ich überlass ihr liebend gern meinen Platz hier am Zaun. Sie wandte sich ihrer Haustür zu. Aber Frau Praml hatte offenbar nicht vor, sie ungeschoren verschwinden zu lassen.
    »Wollen Sie nicht heute Nachmittag in der Marienkapelle in Birkenweiler mit uns Frauenbundfrauen für Pfarrer Winzig den Rosenkranz beten?«, rief sie ihr nach.
    Das wollte Fanni keinesfalls, den Rosenkranz nicht und mit den Frauen vom Frauenbund erst recht nicht.
    Sie drehte sich um und sah Frau Praml vorwurfsvoll an. »Sie werden doch nicht zulassen, dass eine nicht zugehörige Person die Intimität des Frauenbundes stört?«
    Es klappte. Ein Schatten, wie ihn nur schlechtes Gewissen zustande bringt, legte sich über Frau Pramls Stirn.
    Fanni machte sich davon.
    Bevor sie die Haustür hinter sich zuschlug, hörte sie, wie sich die beiden Frauen begrüßten.
    Rosie Hübler, dachte Fanni, die rechte Hand des Pfarrers, seine Stütze, sein Sprachrohr. Was treibt sie schon am Morgen von Birkdorf herüber nach Erlenweiler zur Praml?
    Meine Güte, Fanni, wenn der Pfarrer übern Jordan geht, hat der Frauenbund Hochsaison. Trauerfeiern, Gedenkstunden, Andachten … Und überleg mal, was dafür alles gebastelt werden muss: Blumengestecke, Kerzenhalter, Lichterkränze, Erinnerungsheftchen … Jede einzelne Frauenbundfrau muss da ihr Bestes geben!
    Fanni ging aufs Klo, weil sie von dem kleinen Fenster über dem Waschbecken aus einen freien Blick auf die Stelle am Zaun hatte, wo sie Frau Praml verlassen hatte. Sie wollte sich Rosie Hübler einmal bewusst anschauen. Die Frau, die das Vertrauen des Birkdorfer Pfarrers genossen hatte und die so gut wie sämtlichen Frauen aus der Gemeinde vorschreiben konnte, wie sie diesen oder jenen Nachmittag zu verbringen hatten – betend, bastelnd, Kuchen backend.
    Rosie Hübler und Frau Praml befanden sich auf dem gleichen Fleck, auf dem Fanni eben noch mit ihrer Nachbarin gestanden hatte, und steckten die Köpfe zusammen.
    Wieso flüstern die?
    Plötzlich wandte sich Rosie Hübler um und warf einen argwöhnischen Blick auf Fannis Haustür. Auch Frau Praml musterte den Rot’schen Eingang. Sie hatte die Stirn gerunzelt und wirkte anklagend.
    Habe ich versäumt, die Spinnweben von den Dachsparren über der Tür zu kehren?, dachte Fanni.
    Dann würde Frau Praml nicht anklagend dreinschauen, sondern hämisch!
    Fanni nickte. Was hatte sie verbrochen?

3
    Am 3. März schlug in Birkdorf ein Sprengsatz aus Informationen ein, der den kompletten Frauenbund, den Pfarrgemeinderat und viele fromme Kirchgänger traumatisierte.
    Ein Trupp Kriminalbeamter aus Straubing hielt den Pfarrhof besetzt. Kommissare durchschnüffelten das Pfarrbüro, drangen in sämtliche Räume vor, machten nicht einmal vor dem Schlafzimmer des Pfarrers halt. Einer fand in der Küche Elsie Kraft, wo er sie stante pede verhörte.
    Fünf Minuten danach wusste der gesamte Frauenbund, was den Polizeiapparat auf den Plan gerufen hatte: Hochwürden Winzig war erschlagen worden!
    Im Laufe das Tages überholten sich die Nachrichten gegenseitig. Das meiste von dem, was herumgeredet wurde, stimmte. Im Hinhören und Zusammenreimen erwiesen sich die Birkdorfer als unschlagbar:
    Pfarrer Winzig ist an einem Hieb auf den Hinterkopf gestorben.
    Hinterkopf – wieso? Ist ihm nicht das Blut übers Gesicht geströmt?
    Schon, aber die Tatwaffe hat seinen Hinterkopf getroffen. Sie hat seinen Schädel eingedrückt und eine Wunde hinterlassen, die aber unter dem dichten Haarschopf des Pfarrers so gut wie unsichtbar war. Aus dieser Wunde ist das Blut oberhalb der Ohrmuscheln entlang, die Wangen herunter und bis zum Kinn geflossen. Das Blut hat sich verteilt und verschmiert, bis nicht mehr festzustellen war, woher es eigentlich kam.
    Was denn für eine Tatwaffe?
    Ein schwerer Gegenstand, rund oder oval, aber mit einer großen Zacke außen dran.
    Ein Ei mit Zacke? So ein Ding gibt’s nicht.
    Ei mit Zacke! Was ganz Alltägliches wird das gewesen sein, ein Hammer vielleicht.
    Quatsch, wer rennt schon mit einem Hammer über den Friedhof?
    Na, ein Pfarrermörder halt.
    Minder fromme Kirchgänger tuschelten hinter vorgehaltener Hand:
    Lang hätte Pfarrer Winzig sowieso nicht mehr gelebt, fettleibig, wie er war.
    Ja, ja, so ein enormes Übergewicht verursacht Bluthochdruck, Herzschwäche, Thrombosen …
    Er war noch keine fünfzig.
    Fettsucht kann einen schon mit zwanzig
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