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Milchschaum

Milchschaum

Titel: Milchschaum
Autoren: Mehler
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wandte sich der Haustür zu. Fanni hatte sie mit voller Absicht nicht ins Wohnzimmer gebeten, denn wenn Frau Praml erst einmal saß, war sie kaum mehr zu vertreiben. »Setzen Sie die Kartoffeln nur auf«, hätte sie womöglich gesagt und sich ein Kissen in den Rücken geschoben.
    Nun drückte sie die Klinke und öffnete die Tür. »Dann beeilen Sie sich mal, Ihr Mann kommt ja immer pünktlich auf die Minute.«
    Sie stand bereits mit einem Fuß draußen, als sie sich noch einmal umdrehte. »Die ganze Gemeinde kommt heute Abend in der Pfarrkirche zu einer Gedenkfeier für Pfarrer Winzig zusammen – bis er beerdigt werden kann, wird es noch eine Weile dauern, sagt die Polizei. Sie kommen doch auch, Frau Rot.«
    Die Aussicht, den Abend in einer eng besetzten Kirchenbank verbringen zu müssen, jagte einen Schauer durch Fanni. Das gab ihr die zweckdienliche Notlüge ein. Sie hustete tief aus beiden Lungenflügeln und putzte sich die Nase.
    »Ich weiß nicht recht, Frau Praml. Seit Tagen lässt mich die Erkältung, die ich mir bei der Beerdigung vom Bürgermeister geholt habe, nicht los. Vielleicht sollte ich mich lieber früh mit einem Halswickel ins Bett legen.«
    Frau Praml lächelte Fanni an, und dieses Lächeln trug mehr als eine Spur von Anzüglichkeit. »Das wird wohl das Beste sein«, meinte sie. »Unter Leute gehen Sie ja sowieso nicht gern, Frau Rot.« Damit strebte sie ihrem Grundstück zu.
    Da hat sie aber mal recht!
    Soll sie doch. So ist es eben. Ich frag mich allerdings selbst manchmal, warum.
    Weil du eine Soziopathin bist, Fanni.
    Wie Frau Praml vorhergesagt hatte, kam Hans Rot pünktlich um zwölf. Der Eintopf stand fertig auf dem Herd. Fanni hatte ihn bereits am Vortag aus der Tiefkühltruhe geholt und ihn bloß erwärmen müssen. Alle paar Monate machte sie Pichelsteiner in größerer Menge – damit sich der Aufwand lohnte – und fror Zwei-Portionen-Pakete davon ein.
    »Pichelsteiner, es gibt nichts Besseres, wenn’s draußen kalt ist«, freute sich Hans Rot.
    Fanni hatte ihren Mann richtig eingeschätzt. Sein Ärger schien verflogen. Er zeigte sich sogar besonders guter Laune.
    »Jetzt kriegt der alte Klein doch noch, was er verdient«, vermeldete er mit vollem Mund.
    »Bauer Klein?«, fragte Fanni dümmlich.
    Hans nickte mit dem Kopf in Richtung Klein-Hof, der oberhalb der Wiese hinter dem Haus der Rots lag. »Sie hätten ihn damals schon einsperren sollen.«
    Fanni schluckte. »Als seine Schwiegertochter totgeschlagen wurde? Aber das war doch der …«
    »Der hat Mirza bloß eine gelangt …«
    Mit einem Stein in der Faust und Mordabsichten im Kopf, dachte Fanni, hielt aber den Mund.
    »… das kann ja mal vorkommen«, fuhr Hans Rot fort. »Eine Schande, dass er dafür so lange sitzen muss. Von Rechts wegen hätte der alte Klein aus dem Verkehr gezogen gehört, er ist der Bandit, der Schweinehund, der Schurke.«
    Warum hassen sie den alten Klein bloß so – Hans und noch so einige aus Erlenweiler?, fragte sich Fanni, wie sie es schon oft getan hatte.
    Wie immer gab sie sich die gleiche Antwort: Weil Klein ein ungehobelter Kerl ist, der kein Blatt vor den Mund nimmt, der niemandem schöntut (außer Fanni Rot, die aber selbst einen denkbar schlechten Leumund genießt).
    Weil Klein aus der Reihe der Vorzeigebürger tanzt. Das macht man nicht.
    Weil Klein einen Sohn gezeugt hat, der debil ist, das macht man auch nicht.
    Weil er zugelassen hat, dass dieser Sohn eine Prostituierte aus Tschechien heiratete, das macht man schon gar nicht (er hätte dem Kretin lieber den Hals umdrehen sollen).
    Wer trägt also die Schuld daran, dass einer der ehrenwerten Erlenweiler Bürger Kleins Schwiegertochter erschlug? Klein natürlich – logisch, oder?
    Und zu allem Überfluss: Was tat Klein, kaum war die eine Hure unter der Erde? Er ließ zu, dass die nächste in Erlenweiler anrückte und sich auf dem Hof einnistete. Und Olga kam nicht mal allein, sie kam samt ihrem Bankert.
    »Gibt’s noch was?«, fragte Hans Rot und hob seinen leeren Teller an. Fanni schöpfte Eintopf darauf, und dabei fiel ihr ein, was ihr Mann eingangs gesagt hatte: »Klein kriegt, was er verdient.«
    Sie hakte nach.
    Hans Rot schob ein großes Fleischstück in den Mund und schmatzte: »Diesmal geht der Alte in den Knast, weil er es war, der unsern Pfarrer erschlagen hat – er und kein anderer.«
    Während ihr Mann weiteraß, dachte Fanni darüber nach, ob Bauer Klein den Pfarrer überhaupt gekannt hatte. Jeder in Erlenweiler
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