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Milchfieber

Milchfieber

Titel: Milchfieber
Autoren: Thomas B. Morgenstern
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Sie mussten sich sehr anstrengen, mit vielen Mühen gelang es ihnen schließlich, den Körper über die Holzabtrennung zu hieven und ihm einen kleinen Stoß zu versetzen. Er fiel vor den verdutzten Schweinen auf den Betonboden.
    Zuerst steigerte sich der aufgeregte Lärm der Schweine noch, dann war es im Stall ruhig.
    Entsetzt sah Wiebke Hans-Georg Allmers an. „Das ist ja eine schreckliche Geschichte“, sagte sie. „Ich habe mal gehört, dass die Mafia in Italien ihre Gegner auch so beseitigt. Andere werden, glaube ich, auch gerne mal in die Fundamente von Hochhäusern einbetoniert.“
    Allmers war leichenblass. Er musste mehrmals schlucken, bevor er etwas sagen konnte.
    „Ich glaube, ich muss meinen Bruder anrufen.“
    Wiebke sah ihn erstaunt an: „Jetzt, um diese Tageszeit? Der ist sicher nicht mehr im Büro.“
    „Wiebke!“, sagte Allmers nur und jetzt schien sie zu verstehen.
    „Du glaubst doch nicht, Horst hat…?“
    „Doch“, sagte Allmers, „das glaube ich. Sonst wäre Lissy nicht wie vom Erdboden verschwunden.“

Kapitel 43
    Ein paar Kilometer von Winklers Hof wohnte ein Schlachter, der mit seinem Sohn ein kleines Schlachthaus betrieb. Sie lebten davon, für die Schlachterläden in den umliegenden Dörfern und Städten Rinder aufzukaufen, zu schlachten und dann in den gewünschten Portionen zu liefern. Kein Schlachter in den Städten und Dörfern hatte heute mehr die Lizenz, mitten in Fußgängerzonen oder Wohngebieten noch selbst Tiere zu schlachten und so wuchs ihr Geschäft mit den Rindervierteln, Kuhpistolen und halben Jungbullen und sicherte ihnen ein gutes Einkommen.
    Das Schlachten von Schweinen hatten sie schon lange aufgegeben und hatten sich deshalb geweigert, die Schweine von Horst Winkler zu schlachten, aber nachdem der Staatsanwalt erst gedroht und dann einen sehr guten Preis geboten hatte, waren sie einverstanden gewesen.
    Werner Allmers ließ alle Schweine beschlagnahmen und sie nach einander in dem kleinen Schlachthaus schlachten. Zwei Kriminaltechniker untersuchten bei jedem Schwein den Darminhalt, verdünnten ihn und ließen ihn durch ein Küchensieb laufen. Sie fanden nichts. Der Staatsanwalt hatte auf irgendetwas gehofft, was einen Hinweis auf Lissy erlaubt hätte, einen Ring oder Zahngold oder ähnliches. Entweder war alles schon durch die Schweine hindurch gegangen, oder Winkler hatte alle verräterischen Dinge, die auf Lissy hindeuten könnten, schon vorher verschwinden lassen.
    Was er mit den Tieren machen solle, fragte der Schlachter, die könne man wohl kaum verkaufen.
    Er solle den Abdecker anrufen, meinte der Staatsanwalt resigniert. Vorher hatte er noch von jedem Darminhalt eine Probe nehmen lassen, die er auf Lissys DNA untersuchen lassen wollte.
    Fündig wurde man im Mist. Zwei Tage benötigten die Polizeischüler, die extra von der Polizei-Fachhochschule aus Hannoversch-Münden im Rahmen ihrer praxisnahen Ausbildung abkommandiert worden waren, um den Mist aus den Schweineställen von Horst Winkler Mistgabel für Mistgabel auf das Genaueste zu untersuchen. Jede Ecke des Stalles wurde akribisch durchforstet. Am Ende des zweiten Tages fanden sich einige Zähne, ein wenig Zahngold und ein Ehering in dem Eimer, in dem unbekannte Objekte aus dem Mist gesammelt wurden. Nicht alle Zähne stammten von einem Menschen, Winkler hatte wohl alle toten Tiere des Hofes, egal ob es sich um Kaninchen oder Kälber handelte, an die Schweine verfüttert.
    Die meisten Zähne stammten aber von einer weiblichen Person, nach drei Tagen stand auch fest von wem: Es waren die Zähne von Lissy Winkler.
    „In Liebe Lissy und Horst“ war in dem Ehering eingraviert.
    Der Rechtsanwalt von Horst Winkler verzichtete darauf, Haftbeschwerde einzulegen.

Epilog
    Manchmal, wenn Allmers auf dem Weg zu einer Milchkontrolle an dem alten Hof von Hella und Friedel Köhler vorbeifuhr und sich vorstellte, wie leer und verlassen die Ställe, das Haus und besonders die Küche nun waren, überkam ihn eine tiefe Traurigkeit. Er sehnte sich nach den stundenlangen Gesprächen an ihrem abgewetzten Küchentisch, den Kuchenvariationen und dem frischen Kaffee.
    Er fand, das Leben war nach ihrem Tod für ihn hektischer geworden. Die Bauern meldeten mittlerweile die Geburten und Abgänge ihrer Tiere über das Internet an und zogen die Ohrmarken bei den Kälbern selbst ein, alles Arbeiten, die früher er erledigen musste und nach denen er noch bürokratischen Kleinkram zu erledigen hatte. Dazu hatte man sich in die
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