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Milchfieber

Milchfieber

Titel: Milchfieber
Autoren: Thomas B. Morgenstern
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dieselbe Frage gestellt.“
    Allmers sah seinen Bruder fragend an.
    „Ist Wiebke nur vorübergehend bei dir eingezogen oder auf Dauer?“
    „Du weißt doch auf alles immer eine Antwort“, erwiderte Allmers. „Was meinst du?“
    „Diesmal habe ich keine Ahnung. Vielleicht kannst du die Frage auch einfach beantworten.“
    Allmers ärgerte sich jedes Mal, wenn sein Bruder sich für sein Privatleben interessierte. Er machte das, fand er, nie ohne Hintergedanken.
    „Sie hat ihre Wohnung gekündigt“, erwiderte Allmers einsilbig. Er hatte keine Lust, seinen Bruder in ihre Heiratspläne einzuweihen.
    „Ist mir auch egal“, entgegnete Werner Allmers. „Ich kam zufällig vorbei, ich dachte, ich schau mal rein.“
    „Willst du einen Tee?“
    Der Staatsanwalt nickte. „Wo ist sie denn?“
    „Sie arbeitet in der Apotheke.“
    „Wenn wir alleine sind, kann ich ja ehrlich sein: eigentlich bin ich mit Absicht gekommen“, sagte Werner Allmers. „Ich wollte mit dir mal über unseren Freund Horst reden.“
    Der Staatsanwalt erzählte Allmers, dass Lissy Winkler eine Vorladung bei der Polizei erhalten hatte.
    „Das hat nichts mit der ganzen Geschichte hier zu tun. Es geht darin um Mädchen aus Polen, die hier in verschiedenen Bordellen gelandet sind. Lissy Winkler sollte als Zeugin gehört werden, nicht als Beschuldigte.“
    „Und was hat sie gesagt?“
    „Sie ist nicht erschienen“, erklärte Werner Allmers, „und dann flattert mir ein mysteriöser Zettel auf den Tisch. Horst hat sie als vermisst gemeldet.“
    „Ich kann dir da nicht weiterhelfen“, sagte Allmers, „Ich weiß nur, dass sie Horst in den Ruin getrieben hat. Sie hat alles verhökert, was auf dem Hof zu verkaufen war. Die Trecker, die Tiere, selbst alle Elektrogeräte. Als er aus dem Gefängnis entlassen worden war, war der Hof leer. Ein paar seiner Kühe habe ich vor ein paar Tagen bei einer Kontrolle wieder gefunden. Bei Claus Ruf. Der behauptet, nicht zu wissen, woher die Kühe stammen, dabei steht das auf jedem Rinderpass.“
    „Er hat sie als vermisst gemeldet, kurz nachdem er aus dem Knast entlassen worden war“, überlegte der Staatsanwalt.
    „Man kann doch nur jemanden als vermisst melden, wenn man ihn längere Zeit nicht gesehen hat?“, fragte Allmers.
    „Ja“, sagte sein Bruder. „Bei Ehepartnern wartet man in der Regel vierzehn Tage oder noch mehr. Bei Erwachsenen klärt sich das oft von selbst. Manche sind in Urlaub gefahren, andere brauchten Abstand. Hier bin ich eher davon überzeugt, dass die Nutte sich abgesetzt hat. Das würde ich bei Horst Winkler auch machen, wenn ich sie wäre.“
    „Horst hat seine Süße aber noch einmal gesehen“, überlegte Allmers. „Er hat mir erzählt, dass sie sich furchtbar gestritten hatten. Er war einen Tag früher als geplant aus dem Gefängnis nach Hause gekommen und hat sie dabei ertappt, wie sie die letzten Reste abholen wollte. Sie hatte ihm erzählt, seine Kühe seien so krank gewesen, dass sie alle verkauft werden mussten. Sie hätten alle Milchfieber gehabt.“
    „Milchfieber? Für wie blöd hält die Horst eigentlich?“
    „Darauf gibt es eine eindeutige Antwort: für sehr blöd“, lachte Allmers. „Aber hier hatte sie Horst wohl unterschätzt. Mittlerweile hat selbst er verstanden, wie der Hase gelaufen ist in der letzten Zeit.“
    „Da stimmt etwas nicht“, überlegte der Staatsanwalt. „Horst meldet seine Frau als vermisst, obwohl er sie ein oder zwei Tage vorher noch gesehen hatte. Dies hat er dem Polizisten, der die Vermisstenanzeige aufgenommen hat, verschwiegen. Warum?“
    „Du wirfst deine Ansichten aber schnell um. Eben warst du noch davon überzeugt, dass sie sich abgesetzt hat“, meinte Allmers. „Oder siehst du wieder Ritualmorde oder eifersüchtige Ehepartner, die ihre Liebsten aus der Luke stoßen?“
    „Du weißt genau“, erwiderte der Staatsanwalt scharf, „dass ich mit meinen Vermutungen meistens richtig liege und der Polizei eigentlich immer einen Schritt voraus bin. Bei Hintelmann war ich mir von Anfang an sicher, dass es ein Unfall war. Nur die Tatsache, dass eine neue Unfallversicherung vorlag, hat mich dazu bewogen, der Sache nachzugehen.“
    Wie der sich die Welt zurechtbiegt, dachte Allmers. Und wenn er dann noch so geschwollen redet, ist er besonders unausstehlich.
    „Horst hat mit dem Verschwinden von Lissy etwas zu tun“, sagte Werner Allmers bestimmt. „Und ich werde das herausbekommen. Halte die Augen offen, vielleicht siehst du etwas,
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