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Milchfieber

Milchfieber

Titel: Milchfieber
Autoren: Thomas B. Morgenstern
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zuständige Richter ab. Die Beweislage sei so dünn, meinte er, das könne er nicht verantworten.
    Es gebe keine Leiche, es sei gerade mal ein paar Wochen her, dass die Frau noch lebend gesehen worden sei. Nicht jeder Ehestreit münde in einem Kapitalverbrechen. Und nach dem Debakel mit Horst Winkler in der Sache Peter Gerlach solle der Herr Staatsanwalt doch in Gottes Namen etwas vorsichtiger sein mit seinen schnellen Anschuldigungen. Er solle doch bitte erst einmal eine Leiche herbeischaffen. Ohne Leiche keinen Haftbefehl.
    Es dauerte mehrere Tage, bis genügend Pumpen bei der Schlenke installiert waren, um mit dem Abpumpen des Wassers zu beginnen. Zuerst musste ein Bagger noch einen Abflussgraben ausheben, der Staatsanwalt hatte Allmers zusätzlich mit einem großen Güllefass, das von einem Bauern geliehen worden war, zu der Schlenke bestellt. Allmers hatte Mühe, mit dem riesigen Schlepper, der das große Fass ziehen sollte, auf den schmalen Moorwegen zu fahren. Eine kleine Unachtsamkeit und Allmers hätte das schwere Gefährt im Moor versenkt. Allmers dachte, während er konzentriert die Spur zu halten versuchte, an das letzte Manöver englischer Soldaten, die in der Nähe nichtsahnend mit schweren Panzern durch das Moor gefahren waren. Er war vierzehn oder fünfzehn gewesen, als die örtliche Feuerwehr alle Bauern mit Güllefässern alarmiert hatte. Ein Panzer drohte im Moor zu versinken, die Bauern stellten ihre Güllefässer an den Rand des großen Loches, das der Panzer gerissen hatte und pumpten tagelang Wasser, um zu verhindern, dass das schwere Gerät endgültig versank. Die englische Armee benötigte mehrere Wochen, um den wertvollen Panzer aus dem Moor zu befreien. Das Loch gab es heute noch, es war ein kleiner See geworden. Es hielten sich sogar Gerüchte, im Teufelsmoor sei eine Bergung eines Panzers missglückt, die Engländer hätten hilflos mit ansehen müssen, wie ihr Panzer langsam und unaufhaltsam im Moor versank und noch heute dort liege.
    Hans-Georg Allmers sah erstaunt, wer mit der Feuerwehr an dem Einsatzort erschienen war. Für die Feuerwehrleute bedeuteten solche Einsätze eine gute Übung, sie waren deshalb sehr beliebt. Das Teil des Moores, in dem die Schlenke lag, gehörte eigentlich zu einer anderen Gemeinde, trotzdem waren Allmers Nachbarn fast vollzählig vorhanden. Als er sah, dass Horst Winkler eifrig damit beschäftigt war, Schläuche auszulegen und Verbindungen herzustellen, stieg er aus dem Schlepper aus und stellte sich neben seinen Bruder.
    „Hast du gesehen“, fragte er ihn leise, „wie ruhig Horst ist?“
    Werner Allmers nickte: „Eigentlich müsste man ihn für seine Kaltblütigkeit bewundern. Ich könnte das nicht.“
    „Was hast du vor?“
    „Ich habe den Polizisten Anweisung gegeben, sich direkt neben ihn zu stellen, wenn es losgeht. Wenn er abhauen sollte, kommt er nicht weit.“
    Der Einsatzleiter rief „Wasser marsch!“ und die Pumpen begannen zu laufen. Nach einer halben Stunde war der Wasserstand in der Schlenke nur um ein paar Zentimeter gefallen.
    „Wir brauchen das Güllefass“, sagte der Feuerwehrmann, der das Kommando führte, „die Pumpen sind zu schwach, außerdem verstopfen sie durch den Moorschlamm.“
    Allmers bugsierte das Fass so nahe an den Rand der Schlenke wie möglich und warf das große Ansaugrohr in das Wasser.
    Nur gemächlich sank der Wasserstand, ohne dass die darin vermutete Leiche auftauchte. Die vielen Stangen, die der Biologe während des ganzen Sommers in dem Loch versenkt hatte, kamen langsam zum Vorschein.
    Allmers beobachtete Horst Winkler, der interessiert den Arbeiten zusah. Das hätte ich ihm nicht zugetraut, dachte Allmers, der hat wirklich keine Nerven.
    Dann wurden die Männer unruhig. Allmers trat an den Rand und plötzlich begannen die Männer erleichtert zu lachen. Erst ungläubig, dann immer lauter.
    Schließlich schlugen sie sich erleichtert auf die Schenkel. Aus dem Matsch, der den Boden der tiefen Schlenke bedeckte, schälten sich erst eine Hand, dann ein Arm und schließlich der Kopf einer Schaufensterpuppe heraus. Alle waren wie befreit, niemand hätte gerne eine halbverweste Leiche aus dem Wasser gezogen. Der Nachmittag galt später als einer der unterhaltsamsten Einsätze der Wehr und bei vielen Abenden wurde über das erst verdatterte und dann wütende Gesicht des Staatsanwaltes gelacht, der ungläubig am Rand des Loches gestanden hatte.
    Werner Allmers sah zu seinem Bruder und Hans-Georg merkte, dass er vor
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