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Milchfieber

Milchfieber

Titel: Milchfieber
Autoren: Thomas B. Morgenstern
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Kopfschmerzen erträglicher geworden waren.
    „Seit wann bin ich hier?“, fragte er.
    „Sie müssen ganz leise sprechen“, meinte die Schwester fast flüsternd, „Sie haben eine schwere Gehirnerschütterung. Und bewegen Sie sich bitte nur ganz vorsichtig.“
    „Was ist denn passiert?“, Allmers war ratlos.
    „Sie sind heute Morgen eingeliefert worden“, erklärte die Schwester, „da waren Sie bewusstlos. Sie erinnern sich an nichts?“
    „Nein“, meinte Allmers.
    „Sie haben durch das Trauma wohl kurzzeitig Ihr Gedächtnis verloren. Das kommt vor, wenn man zusammengeschlagen wird.“
    „Zusammengeschlagen? Von wem denn?“, fragte Allmers erstaunt. „Wer hat mich denn zusammengeschlagen?“
    „Ich weiß es nicht“, flüsterte die Schwester. „Ich habe gerade erst meinen Dienst angetreten. Man hat mir gesagt, dass Sie heftige Schläge auf den Kopf bekommen haben. Ihre Nase ist zertrümmert, sie hatten wohl Glück, dass keine weiteren Knochen gebrochen sind.“
    Allmers schwieg. Er versuchte sich zu erinnern, aber jede Erinnerung war wie ausgelöscht.
    „Ihre Gehirnerschütterung ist nicht ungefährlich, Sie dürfen sich jetzt nicht aufregen. Versuchen Sie zu schlafen, morgen kommt der Arzt zur Visite, der weiß mehr, ich bin nur eine Hilfsschwester. Ich kann nur sagen, so wie Sie aussehen, hat der Kerl ganz schön brutal zugeschlagen und getreten.“
    „Haben Sie einen Spiegel?“
    „Ich hole einen, aber sie müssen versprechen, danach einzuschlafen.“
    Als sich Allmers im Spiegel sah, war er schockiert. Seine Nase war schief und geschwollen und das linke Auge blau unterlaufen.
    Allmers war noch nie in eine Schlägerei geraten. Er musste noch nicht einmal einer ausweichen, es hatte sich in seinem ganzen Leben einfach für ihn noch nie die Frage gestellt, ob er fliehen oder zurückschlagen sollte. Seine letzte körperliche Auseinandersetzung hatte er gehabt, als er zwölf oder dreizehn gewesen war.
    „Wird die Nase so bleiben?“, fragte er die Schwester, die ihm den Spiegel wieder abnahm.
    „Eine Nase kann man problemlos wieder richten“, erwiderte sie und verließ das Zimmer. „Jetzt schlafen Sie erstmal wieder. Ich schaue in einer halben Stunde wieder rein.“
    Allmers schlief tatsächlich wieder ein. Als er am nächsten Morgen von einem Pfleger geweckt wurde, war es hell und die Sonne schien in sein Zimmer.
    „Frühstück“, sagte der Mann. „Herr Allmers, jetzt müssen Sie etwas essen.“ Der Pfleger half Allmers, sich in seinem Bett aufzusetzen und stellte ihm das Frühstückstablett auf ein Tischchen.
    „Geht es Ihnen besser?“
    „Die Kopfschmerzen sind nicht mehr so schlimm“, meinte Allmers, „aber ich habe keinen Appetit.“
    „Das ist ganz normal bei einer Gehirnerschütterung. Aber sie sollten etwas trinken.“
    „Wann kommt der Arzt?“, rief er dem Pfleger hinterher, aber der hatte keine Zeit mehr zu antworten und schloss die Tür.
    Allmers besah sich das Frühstück. Wenn ich könnte, dachte er, würde ich den Kopf schütteln. Das ist alles ungenießbar.
    Allmers trank eine Tasse Tee und wünschte sich, der Pfleger würde zurückkommen, um das Tablett wieder mitzunehmen. Er schloss die Augen und versuchte sich wieder erfolglos an das Geschehen zu erinnern.
    Erst die dröhnende Stimme seines Bruders riss ihn aus dem Tagtraum.
    „Hans-Georg!“, rief Werner Allmers in das Krankenzimmer, „was machst du für Sachen?“
    „Moin“, meinte Allmers nur.
    „Ich hab durch Zufall erfahren, dass Du hier liegst“, sagte sein Bruder. „Seit wann bist du denn da?“
    „Die Schwester hat gesagt, seit gestern Morgen“.
    Werner Allmers schüttelte ungläubig den Kopf: „Wieso „die Schwester?“ Weißt du das selbst nicht mehr?“
    „Ich kann mich an nichts erinnern. Angeblich bin ich zusammengeschlagen worden“.
    „Du siehst tatsächlich übel mitgenommen aus“, meinte sein Bruder und betrachtete ihn ausgiebig. „Da hat jemand ganze Arbeit geleistet. Lass mich raten: ein eifersüchtiger Bauer, dem du die Frau ausgespannt hast? Oder Friedel Köhler, weil du Hellas Kuchen weg gefressen hast?“, er lachte laut. Allmers bekam wieder Kopfschmerzen.
    „Weder noch“, meinte er leise. „Die Bäuerinnen habe ich alle durch und Friedel wäre froh, wenn er nicht so viel Kuchen essen müsste.“
    Werner Allmers stand auf: „ Deinen abstrusen Humor haben sie dir wenigstens nicht aus dem Kopf geprügelt“, sagte er. „Ich muss los. Um 11 habe ich einen
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