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Milchfieber

Milchfieber

Titel: Milchfieber
Autoren: Thomas B. Morgenstern
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Gerichtstermin.“
    „Kannst du mir das Frühstück wegstellen?“, fragte Allmers. „Wenn ich nicht schon krank wäre, würde ich es durch dieses Zeug sicher werden.“
    An der Tür drehte sich Werner Allmers noch einmal um: „Ich kriege das raus. Den Kerl, der dir das angetan hat, haben wir schnell. Versprochen.“
    Die Ärztin kam gegen 12. Allmers hatte wieder geschlafen und erschrak, als er plötzlich Stimmen hörte.
    „Guten Morgen“, meinte sie. Auf ihrem Schild stand „Dr. Beatrix Bernhard, Oberärztin“. „Wie geht es Ihnen heute?“
    „Moin“, sagte Allmers und er merkte, wie schwer ihm das Sprechen fiel. Die paar Sätze, die er zwei Stunden vorher mit seinem Bruder gewechselt hatte, hatten dazu geführt, dass alle Muskeln seines Gesichtes wehtaten. „Es geht so.“
    „Sie haben Glück gehabt“, meinte Dr. Bernhard während sie in Allmers Krankenakte blätterte. „Das Ganze hätte auch tödlich ausgehen können. Sie haben außer der Fraktur der Nase und der Gehirnerschütterung keine weiteren Brüche. Die Nase wird gerichtet, das ist machbar. Und für die Gehirnerschütterung brauchen Sie Ruhe. Sie bleiben mindestens eine Woche bei uns. Haben Sie sonst noch Fragen?“
    Allmers wurde von der Schnelligkeit der Ärztin überrumpelt. Sie war schon auf dem Weg zur Tür als Allmers noch eine Frage einfiel: „Wissen Sie, wo ich zusammengeschlagen wurde?“
    „Zusammengeschlagen?“, fragte die Ärztin verblüfft. „Sie wurden nicht zusammengeschlagen. Ihnen hat eine Kuh mit voller Wucht ins Gesicht getreten. Und als Sie hingefallen sind, hat sie sich noch ein paar Mal auf Sie drauf gestellt.“

Kapitel 2
    Allmers hatte schon lange nicht mehr gemolken. In den letzten Jahren war es ein paar Mal vorgekommen, dass man ihn um Hilfe gebeten hatte und er für ein oder zwei Tage die Stallarbeit bei einem seiner Bekannten übernommen hatte. Meist waren es Familienfeste, bei denen die Bauern unabkömmlich waren und sie sonst niemanden wussten, der sie kurzfristig ersetzen konnte. Allmers molk dann abends und meist auch am nächsten Morgen. Die Bauern freuten sich, wenn sie nach alkoholgetränkten Festen ausschlafen konnten. Einmal vor ein paar Jahren hatte bei einer Nachbarin die Geburt eines Kindes so lange gedauert, dass Allmers morgens um halb sechs von dem aufgeregten Vater aus dem Krankenhaus angerufen worden war und er die ganze Stallarbeit erledigt hatte.
    Heute, das ahnte er, würde seine Hilfe länger als einen Tag benötigt werden.
    Allmers stand noch immer zitternd im Stall von Jürgen Hintelmann und sah dem Arzt und den Rettungssanitätern bei der Arbeit zu. Hintelmann lag mit verdrehtem Körper auf dem Futtertisch, direkt vor seinen Kühen und regte sich nicht. Allmers hatte kaum mit der Milchkontrolle angefangen und ein paar Worte mit dem Bauern gewechselt, als der plötzlich die Treppe zum Heuboden hinauf gelaufen war und durch die Luke herunter gerufen hatte:
    „Vorsicht, ich schmeiß’ ein paar Ballen Stroh runter.“
    Hintelmann hatte zwar vor ein paar Jahren einen neuen Laufstall gebaut, aber nach ein paar Wochen war er das Melken im modernen Melkstand leid geworden. Er musste sich viele Sticheleien seiner Kollegen anhören, als er mit den Kühen wieder in den alten, unbequemen Anbindestall zog und seine Jungrinder im Neubau aufstallte. Warum er das viele Geld ausgegeben habe, wurde er gefragt, nur damit er weiterhin so unbequem melke?
    Aber an Hintelmann prallte alles ab. Er liebte den engen Stall, die Gerüche und den engen Kontakt zu seinen gequetscht stehenden Tieren. Außerdem hatte er noch einen Heuboden über sich, von dem er bequem und immer, wenn er es brauchte, Heu und Stroh herunterwerfen konnte. Im modernen Laufstall war über den Tieren nur noch das Dach.
    Statt des Strohs fiel Hintelmann herab. Er knallte erst mit der Hüfte auf die Halterung der Kühe, überschlug sich und fiel mit dem Kopf auf den Betonboden direkt vor Uganda. Sie war seine Lieblingskuh. Hintelmann hatte seit seiner Kindheit Fernweh, er träumte davon eines Tages die ganze Welt zu bereisen und in der Vorfreude darauf hatte er seine Kühe mit exotischen Namen benannt. Es gab neben Uganda, die er ungemein schätzte, nicht nur weil sie Unmengen Milch gab, sondern auch, weil sie schon zehn Jahre alt war und ihm in diesen Jahren immer ihre Zuneigung gezeigt hatte, Kühe, die Alaska, Caracas oder Argentina hießen.
    Uganda erschrak, als der Bauer direkt vor ihr auf den Futtertisch fiel und sprang erschrocken
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