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Miese Stimmung: Eine Streitschrift gegen positives Denken (German Edition)

Miese Stimmung: Eine Streitschrift gegen positives Denken (German Edition)

Titel: Miese Stimmung: Eine Streitschrift gegen positives Denken (German Edition)
Autoren: Arnold Retzer
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Sie erscheinen oftmals geradezu merkwürdig oder gar paradox. Aber das noch nicht Selbstverständliche, das Merkwürdige oder auch Paradoxe ist nötig. Der Ausweg besteht im Umdenken und Ablassen von dem, was bisher gedacht und getan wurde: Wie die Karre in den Dreck gefahren wurde, ist ja meist nicht die Methode, wie sie auch wieder herausgefahren werden kann.
    Aber wir sollten die Krisen und das Scheitern nicht zu schnell als schlecht abtun und abwerten, sondern sie als eine ungeheure Chance begreifen. Sie bieten uns die Chancen der Veränderung. Wenn wir nicht länger autistische Leistungs- und Erfolgsmaschinen oder biologieterrorisierte Haustiere sein wollen, besteht unsere Chance gerade darin, kaputtzugehen, das heißt, nicht mehr zu funktionieren. Wir erhalten dann die Möglichkeit, uns zu entziehen, unseren Widerwillen zu aktivieren und uns damit vor Selbstauflösung zu schützen. Wir können endlich der ständig perfektionierten Vernetzung mit Gott und der Welt und allen anderen auch ein Ende bereiten – zu verlieren haben wir dabei nichts außer unseren Netzwerken, in denen wir uns verfangen haben und die uns gefangen halten.
    Abgekoppelt und mit etwas Distanz, können wir sehen, wie uns Hoffnung blind, blöd und kriminell gemacht hat und zu einem lebensgefährlichen Wahn geworden ist. Dass Wissen, Erfolg und Null-Fehler-Toleranz nicht nur dumm machen und unser Leben verkürzen, sondern beunruhigen, verunsichern, gefährlich sind und miese Stimmung erzeugen. Wir sehen und können es fühlen, wie uns und auch andere der unbeirrbare Wille zur Autonomie drangsaliert und zerstört. Und wir können schließlich sehen und fühlen, wie uns unsere Irrtümer, unsere Fehler und Niederlagen weiterbringen, uns klug machen und menschlich bleiben lassen. Wir können erkennen, dass die Akzeptanz unserer Abhängigkeiten uns autonom sein lässt, dass das Beste nicht immer gut ist und etwas weniger davon für ein gutes Leben und gute Stimmung ausreicht. Sich den Erfolgserwartungen zu entziehen erlaubt, sich selbst wieder in den Blick zu nehmen und die Frage zu stellen, wer man eigentlich ist. Dem verbreiteten, angeblich lebensklugen Motto »Erkenne, wer du bist!« sollte man sich aber auch zu entziehen wissen. Die gegenwärtig bei weitem wichtigere, überlebenswichtige Aufgabe heißt: Erkenne, wer du nicht bist!

Anmerkungen
    Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Literatur
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