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Meuterei auf der Deutschland

Meuterei auf der Deutschland

Titel: Meuterei auf der Deutschland
Autoren: Klecha Walter Hensel
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Alltag der Partei finden sich mannigfaltige Referenzen an das Hackermilieu und die Bürgerrechtsbewegung: Der technisch fundierte Optimismus der Selbstermächtigung, die aus der Internetkultur stammende Mischung aus radikalem Individualismus und vernetztem Kollektivismus sowie eine ausgeprägte Empathie gegenüber dem Grundgesetz sind Teil dieses Selbstverständnisses. Auch die ungewöhnliche Organisationsform und -praxis der Piraten muss in diesem Kontext gesehen werden. Die deutschen Piraten sind also weder aus dem Nichts entstanden noch eine bloße Kopie der schwedischen Mutterpartei, deren Geschichte im Folgenden kurz umrissen werden soll.
2.1 Gründungsmythos: Schwedische Freibeuter
    Sie waren die Pioniere, sie wurden zum europäischen Vorbild: die Piraten in Schweden, die 2009 mit sieben Prozent ins Europaparlament einzogen. Der riesige Medienrummel in Stockholm schwappte in den folgenden Tagen, wenngleich gedämpft, auch nach Deutschland über. Die schwedische Piratenpartei gründete sich im Januar 2006 im Zuge des im Land schon seit derJahrtausendwende virulenten Konflikts um das sogenannte Filesharing. Gemeint ist damit der Austausch oftmals urheberrechtlich geschützter immaterieller Güter wie Musik- und Videodateien. In der besonders webaffinen schwedischen Bevölkerung standen sich früher als im übrigen Europa Verwerter und Teile der sich kriminalisiert fühlenden, vor allem jüngeren Bevölkerung gegenüber (Bartels 2009, S. 28 ff.; Strippel 2010). Um das »Raubkopieren« bekämpfen zu können, gründeten mehrere Unterhaltungskonzerne 2001 das »Antipirateriebüro«, das relativ rasch erste Erfolge erzielte: 2005 wurde in Schweden ein verschärftes Urheberrecht verabschiedet, das die Interessen der Verwerter stärkte, da zum Beispiel nicht nur das Herunter-, sondern auch das Hinaufladen urheberrechtlich geschützter Daten als Straftat deklariert wurde. Hinzu kam eine EU -Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, die es unter anderem ermöglicht, illegale Filesharer eindeutig zu identifizieren (Gürbüz 2011, S. 21).
    Als Reaktion auf diese Entwicklung entstand 2003 das »Piratenbüro« ( Piratbyrån ) als eher loser Diskussionszusammenhang. Aus diesem heraus gründete der IT -Unternehmer Rickard Falkvinge dann Anfang 2006 die Piratenpartei (ebd., S. 21 ff.). Sie verknüpfte in ihrem Programm bürgerrechtliche Anliegen mit dem Ziel des freien und offenen Austauschs von Wissen und Kultur sowie dem konkreten Vorhaben einer Reform des geltenden Urheberrechts. Im Vorfeld der Parlamentswahlen 2006 erhielt die Partei verstärkte Medienaufmerksamkeit, nachdem das rabiate Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden gegen die überaus populäre Filesharing-Plattform The Pirate Bay publik geworden und es in mehreren schwedischen Städten zu kleineren Demonstrationen gekommen war (Zolleis/Prokopf/Strauch 2010, S. 8). Diese Auseinandersetzung nutzte Parteigründer Falkvinge erfolgreich, um den für viele Schweden lebensweltlich relevanten Konflikt um das Filesharing ideologisch und theoretisch zu unterfüttern (Lönegård 2009). Er stilisierte ihn zu einem Kulturkampf zwischen dem alten und dem neuen Modell der gesellschaftlichen Kommunikation, wodurch er eine Art Gründungserzählung der Piraten etablierte (Neumann 2011, S. 29 f.).
    Rickard Falkvinge, der eigentlich Dick Greger Augustsson heißt, wurde 1972 in Göteborg geboren und absolvierte ein naturwissenschaftliches Gymnasium mit exzellenten Noten. In dieser Zeit trat er, der attraktiven Freizeitangebote wegen, der Jugendorganisation der konservativ-bürgerlichen Moderaten (Moderat skolungdom) bei und gründete ein eigenes IT - Unternehmen (Infoteknik). Später begann Falkvinge ein Studium der technischen Physik, kehrte der Universität jedoch frühzeitig ohne Abschluss den Rücken. Nachdem er auch sein Unternehmen veräußert hatte, verdiente er als Projektleiter und Programmierer bei kleineren IT -Unternehmen und bei Microsoft seinen Lebensunterhalt. Falkvinge stellt auch als Politiker gern heraus, dass er die Branche bestens kennt und dass er aus diesem Grund gegen eine Urheberrechts- und Patentmonopolisierung in der Branche kämpft. Er charakterisiert Computer gerne als Freiheitsbringer, die keiner Zensur und keiner Begrenzung unterliegen. Der Freiheitsdrang scheint ein besonderes Elixier in seinem Leben zu sein. So nannte er sich nach eigenem Bekunden in Rickard Falkvinge um, weil der eigentümliche Name etwas über seine individuellen Eigenschaften aussagen
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