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Meuterei auf der Deutschland

Meuterei auf der Deutschland

Titel: Meuterei auf der Deutschland
Autoren: Klecha Walter Hensel
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Tauschbörsen, Terrorüberwachung und Datenschutz, aber auch die Selbstzensur von Google in China sind damit eng verknüpft. Ausgehend von der Cleavage -Theorie von Rokkan und Lipset, wonach sich das Parteiensystem entlang grundlegender dauerhafter Konfliktlinien wie Arbeit und Kapital, Zentrum und Peripherie oder Kirche und Staat strukturiert (Lipset/Rokkan 1967), hat Demker nach der nationalen und der industriellen Revolution mit der kommunikativen Revolution eine neue, zentrale Umwälzung identifiziert, welche die Bevölkerung politisch mobilisiere und sich nun auch in der Parteienlandschaft niederschlage (Demker 2010, S. 150 f.). Diese kommunikative Revolution hat, so Demker, zwei Hauptkonfliktlinien oder cleavages aufbrechen lassen: Zum einen würden sich Akteure gegen die »Vermarktlichung« des Wissens wehren und Informationen und immaterielle Güter als gemeinschaftliche Ressource für sich reklamieren; zum anderen gebe es nun Konflikte zwischen Netzwerken, die transnational agieren, und territorial begrenzten Nationalstaaten. Die kommunikative Revolution führe zu einer deutlichen Schwächung der nationalstaatlichen Kontrolle und limitiere die nationale Souveränität und Autorität. Aus dieser Perspektive wären die Piraten tatsächlich eine avantgardistische Partei, eine erste Reaktion auf den digitalen Umbruch der kommunikativen Revolution.
    Tatsächlich hat die schwedische Piratenpartei in den letzten Jahren jedoch eklatant an Elan und Schwung eingebüßt, schon bei der Reichstagswahl im Jahr 2010 konnte sie nur noch magere 0,65 Prozent einfahren. Allein die hohe Wahlbeteiligung hat die Piraten wieder nach unten gedrückt: Während bei der Europawahl 2009 lediglich 45 Prozent der Schweden abgestimmt hatten, waren es 2010 84 Prozent.
    Stärker noch als die Urnengänge in den Jahren zuvor war die Parlamentswahl 2010 vom polarisierten Wettstreit zwischen dem linken und dem bürgerlichen Lager geprägt (Gmeiner 2011). Kleine Alternativparteien pflegen in solchen Konstellationen buchstäblich zwischen die Fronten zu geraten, da sie der Blocklogik nichts entgegenzusetzen haben und in der Berichterstattung weniger Beachtung finden (Lönegård 2011). Zudem gelang es mit den rechtspopulistischen Schwedendemokraten nun einer Konkurrentin, sich als alternative Protestpartei in Stellung zu bringen. Wähler aus dem linken Spektrum, die prinzipiell durchaus Sympathien für die Piraten hegten, votierten angesichts der bipolaren Lagerbildung letztlich doch für eine Partei aus dem explizit linken Block. Zudem waren die Grünen in der Lage, libertäre und postmaterialistische Themen aufzugreifen und thematisch zuzuspitzen. Der überdurchschnittliche Erfolg der Grünen bei jungen, großstädtischen und formal hochgebildeten Wählern legt diesen Schluss zumindest nahe. Die Grünen verbuchten vor allem in Universitätsstädten und den hippen Stadtteilen von Göteborg und Stockholm hohe Zuwächse, welche der Hausse der Piraten ein Ende setzten.
2.2 Vom kruden zum attraktiven Außenseiter: Die deutsche Piratenpartei
    Die deutschen Piraten gründeten sich rund neun Monate nach der schwedischen Mutter als dritte europäische Piratenpartei (seit Juli 2006 gibt es die Piraten in Österreich). Das schwedische Vorbild stiftete für die Ableger den Namen sowie zentrale programmatische und ideologische Fragmente und aktivierte, ja inspirierte mit seinem Erfolg die deutschen Piraten zu ihrem konkreten Vorhaben.
    Als primäre inhaltliche Ziele beschrieb die Piratenpartei im September 2006 die Freiheit des Wissens und der Kultur, die Wahrung der Privatsphäre, den Leitsatz eines gläsernen Staates statt gläserner Bürger sowie die Transparenz politischer Prozesse und der Verwaltung (Piratenpartei Deutschland 2006). Folgt man den Mitgliedern des ersten Vorstands, waren es vor allem die schwelenden Konflikte um digitale Bürgerrechte und die Reform des Urheberrechts, welche sie zur Parteigründung motivierten. Zuvor hatten bereits kleinere Initiativen versucht, die in den Jahren 2005 und 2006 im Europäischen Parlament geführten Debatten über das Urheberrecht zu beeinflussen, konnten dabei aber kaum Erfolge verbuchen. Viele deutsche Aktivisten waren von den Nachrichten aus Schweden daher elektrisiert. Nicht nur weil die Themen der dortigen Piratenpartei praktisch deckungsgleich mit den eigenen Anliegen waren, sondern auch weil deren unkonventionelle Organisationsform genau dem Sein und Bewusstsein der digitalen Flaneure entsprach.
    Das
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