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Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit
Autoren: Ilse Rothfuss
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Worten der Kreatur schutzsuchend an mich und ich spüre ihre Angst.
    Luc blickt kurz auf die Kreatur hinunter, dann nimmt er ihr Kinn in die Hand, hebt ihr süßes, verlorenes Gesicht an und mustert sie von hoch oben.
    „Du hast mir treu gedient, mein Kind“, sagt er freundlich, „und für diese treuen Dienste gebe ich dir, was du verlangst – Erlösung von deinem Leiden.“
    Blitzschnell, sodass ihm ein Menschenauge kaum folgen kann, hält er einen flammenden Dolch in der Hand und schneidet ihr die Kehle durch, so wie er K’el niedergestreckt hat, ohne jede Gefühlsregung.
    Der Tod der Kreatur löst keine Hitze, keine Energie aus. Ihre Umrisse verpuffen einfach wie eine Staubwolke, und dann ist sie fort.
    Ich will schreien, aber Ryan hält mir schnell den Mund zu, sodass kein Laut herauskommt. Er hält mich eisern fest. Mein Hüter, mein Anker, mein Fels in der Brandung. Immer.
    „Gib ihn mir, Teufel!“, donnert Michael.
    Die Feuerkette, mit der Raphael an den Stein gefesselt ist, löst sich auf und er stürzt aus großer Höhe auf die glatte, reglose See, bleibt so lange still liegen, dass Richard Ryan ins Ohr flüstert: „He, Mann, esta muerto .“
    Aber dann regt sich Raphael, rappelt sich vom Boden auf, und sein langes dunkles Haar fällt ihm über das markante Gesicht. Mit steifen Bewegungen stolpert er zwischen Lucs Höllenmonstern hindurch, die ihn gehässig anrempeln. Seine goldenen Augen sind schmerzerfüllt und aus seinen Wunden sickert Licht. Ich schlage die Hände vor den Mund, als ich ihn so sehe.
    Plötzlich überwältigen mich die Erinnerungen: Ich sehe Raphael, wie er mich anlacht, sehe, wie wir Arm in Arm über eine einsame Welt schreiten, wie er mir sagt, dass es hoffnungslos sei, dass ich ihn nie lieben würde, so wie ich Luc liebe. Raphael war die leibhaftige Geduld und Güte, voll Mitgefühl, durch und durch anständig. Aber das alles zählte damals nicht für mich.
    Raphaels Liebe zu mir war so groß, dass er mich all die Jahre am Leben erhalten hat. Obwohl ich es ihm nicht gedankt habe, denn für mich war es das Gegenteil von Liebe – unbarmherzige Strafe.
    „Luc hat alle verletzt, die mir nahestanden“, sage ich mühsam beherrscht. Und ich spüre, wie Ryans Körper sich bei meinen Worten verkrampft.
    Luc donnert über das Wasser herüber: „Gib sie mir, dann wirst du deinen Bruder bekommen!“
    Er spuckt das Wort „Bruder“ hasserfüllt aus und reißt seinen rechten Arm hoch. Raphael schreit hinter ihm auf, denn eine unsichtbare Kraft hält ihn fest.
    In die Reihen hinter Michael kommt Bewegung, und dann tritt jemand aus der leuchtenden Schar hervor – ich. In meinen strahlend weißen Gewändern, mit meinem langen dunklen Haar, das mir schimmernd über den Rücken fällt, barfuß und mit nackten Armen.
    Ich sehe mich durch die Engelschar nach vorne zu Michael schweben, sehe, wie er mir eine Hand auf die Schulter legt, um mich aufzuhalten.
    „Gleiches gegen Gleiches!“, donnert er.
    Bei Michaels Worten lässt Luc seinen rechten Arm sinken, und Raphael kann sich wieder bewegen.
    Er stolpert auf die falsche Mercy zu, die neben Michael steht, und eine tiefe Sehnsucht liegt in seinen Zügen. Er stürzt auf die Knie und blickt zu ihr auf, als wollte er sie um Vergebung bitten.
    „Es war allein meine Schuld, dass du geopfert wurdest“, sagt er. „Du weißt, ich habe dich über alle Maßen geliebt. Und ich habe mehr als einmal versucht, dich von Luc abzubringen und für mich zurückzugewinnen, weil ich seinen wahren Charakter kannte, den er vor dir verborgen hielt. Ich wusste, dass er sich über Michael, ja sogar über Gott selbst erheben wollte. In meiner Verzweiflung habe ich schließlich Michael angefleht, Luc außer Gefecht zu setzen. Schlage ihm einen Handel vor, habe ich ihm eingeflüstert. Luc soll vor uns allen seine Absichten kundtun, und dann lässt du ihn glauben, dass er bekommt, was er will. Zuerst jedoch sollte Luc für immer auf dich verzichten.
    Aber Luc hat mich durchschaut, und wenn er dich nicht haben konnte, sollte dich niemand bekommen. Er hat dich aus dem Himmel geschleudert und dafür wurde er selbst in die Verbannung geschickt.“
    Luc hat mich jahrhundertelang ins Elend gestürzt, nur weil er eifersüchtig auf Raphael war. Ein leises Wimmern dringt aus meinem Mund und Ryan drückt mich heftig an sich. Ich vergrabe mein Gesicht an seiner Brust, damit niemand die heißen, hellen Tränen sieht, die mir über die Wangen strömen.
    Raphael blickt zu dem
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