Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit
Autoren: Ilse Rothfuss
Vom Netzwerk:
Wesen auf, das er für mich hält. „Vergib mir!“, fleht er. „Denn ich hielt mich für einen wahren Freund. Einen besseren, dachte ich, würdest du nie bekommen. Ich wollte dich retten und habe dich für Jahrhunderte ins Unglück gestürzt.“
    Zitternd drehe ich mich in Ryans Armen um und schaue zu Raphael hinüber. Liebe und Treue liegen allem Schrecklichen zugrunde, das geschehen ist.
    Luc lacht verächtlich, ein Geräusch, das unendlich hässlich ist.
    Ich reiße mich beinahe von Ryan los, will zu Raphael rennen. Ich sehne mich so sehr danach, ihn im Arm zu halten und ihm zu sagen, dass er nicht von Schuld oder Versagen sprechen soll. Dass ich ihn verstehe und endlich meinen Frieden mit allem gemacht habe, was mir angetan wurde. Aber ich muss mich an den Plan halten, darf die Illusion nicht zerstören.
    Uriel, der mein Gesicht trägt, sagt plötzlich mit meiner Stimme: „Die Entscheidung ist getroffen, der Handel abgemacht.“
    Und Raphael bleibt nichts anderes übrig, als mit hängendem Kopf an mir vorbeizustolpern und mich gehen zu lassen.
    Doch bevor Uriel sich auf Luc stürzen und ihn gefangen nehmen kann, tritt Gudrun vor und fasst ihn an der Hand. Der linken.
    Mir stockt der Atem, als ich – noch vor Luc – begreife, was sie vorhat.
    „Verrat!“, kreischt Gudrun. „Wir sind verraten!“
    Dann hebt sie Uriels linke Hand hoch und Luc erkennt sofort, dass kein sternförmiges Mal darauf lodert.
    Uriel wirft seine Tarnung ab und ist wieder er selbst. In diesem Moment ist es, als hielte die Zeit selbst den Atem an, als ginge ein großer Riss durch die Welt. Am Strand sind alle zu Stein erstarrt.
    Dann hält Luc eine flammende Waffe in der Hand und richtet sie auf Uriels Brust, ehe einer von uns etwas dagegen unternehmen kann. Aber Uriel ist Luc beinahe ebenbürtig – denn nur Michael ist stärker als er –, und er wirft sich schnell zur Seite. Lucs Klinge schneidet in seinen Unterarm und hinterlässt eine tiefe, flammende Wunde, tötet ihn aber nicht. Dann löst Uriel sich in Luft auf.
    „Wo bist du?“, kreischt Luc und sucht fieberhaft den Strand ab. Wieder krümme ich mich vor Qual, als er in meine Gedanken einzudringen versucht, nach einer Schwachstelle, einer Öffnung tastet. Der Schmerz zerreißt mich von innen her, und plötzlich bellt er den Anfang meines Namens: „H…“

Kaum dass Luc den ersten Buchstaben meines Namens ausgesprochen hat, verwandeln sich alle Engel am Coronado Beach in mich: Alle, vom niedrigsten bis zum höchsten, tragen mein Gesicht und meine Gestalt und schwärmen aus, die Flammenschwerter erhoben. Ich selbst falle zuckend zu Boden, denn Luc brüllt meinen Namen, meinen wahren Namen, immer und immer wieder.
    Ryan flucht und reißt mich in seine Arme.
    Ich höre Richard keuchen: „Los, chicos! Rennt um euer Leben!“ Und ich nehme dunkel wahr, wie Richard und Lauren panisch davonstürzen.
    Ryan schleppt mich zu unserem Motorrad zurück, das wir weiter oben am Strand geparkt haben. Die Luft ist vom Klang der Schwerter erfüllt, vom Zischen des heiligen Feuers, das auf seinen Gegenpol trifft. Überall sehe ich mich selbst, mein Gesicht, meine dunklen Augen, meine langen, glatten Haare, meine kräftige Gestalt. Es ist wie ein Albtraum, aus dem es kein Erwachen gibt. Immer wieder sehe ich mich fallen und fliehen, kämpfen und sterben und schließlich verwehen.
    Ich schluchze hemmungslos, als Ryan mich auf das Motorrad hievt, den Motor startet und mich anschreit, dass ich mich an ihm festhalten solle. Ich schlinge von hinten meine Arme um ihn, drücke mein tränenüberströmtes Gesicht in seine abgewetzte Lederjacke und wir donnern in vollem Tempo die Treppe hinauf.
    Obwohl es unklug ist, blicke ich noch einmal zurück, und was ich sehe, erschüttert mich so sehr, dass ich beinahe Ryan loslasse und vom Motorrad herunterfalle. Jeder einzelne Engel am Strand kämpft an meiner Stelle. Für mich. Und jeder einzelne Dämon kämpft gegen mich. Ich war jahrhundertelang eine Verbannte, deren Name gelöscht war, die zu einer dunklen Legende wurde, und dennoch geben jetzt so viele meiner Brüder und Schwestern ihr Leben, um mich zu beschützen.
    Unversehens flammt meine linke Hand auf, wie Uriel es nie hätte nachahmen können, und die Wunde, die Luc mir vor langer Zeit beigebracht hat, brennt hell und wild. Ryan schreit auf und verliert fast die Kontrolle über das Motorrad, während wir den Hang hinaufbrettern.
    Wir rasen an den Bäumen vorbei, und jetzt regnet es wieder, ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher