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Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit
Autoren: Ilse Rothfuss
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Regenguss, der die ganze Welt auslöscht.
    Ich zeige aufgeregt nach links auf ein Tor, an dem wir bereits auf der Herfahrt vorbeigekommen sind – vor einer halben Ewigkeit, wie mir scheint. Richard, der hinter uns ist, hat verstanden, zieht an uns vorbei und jagt die Küstenstraße zu dem verlassenen Militärgelände hinauf. Ryan und ich rasen hinterher.
    Vor dem Tor springt Richard von seinem Motorrad und reißt den schwarzen Behälter hinter dem Rücksitz auf. Er wühlt in dem Werkzeug herum, das darin verstaut ist, holt einen Schneidbrenner heraus, und schweißt die Kette auf, mit der das Tor gesichert ist.
    Wir sind auf einem alten Luftwaffenstützpunkt gelandet. Die Eingangstüren der Gebäude sind von Gewehrkugeln durchsiebt, überall wuchert das Gras. In der Ferne erkenne ich im strömenden Regen einen eisernen Landesteg, der ins Wasser ragt. Betonbunker, die in einige der Hänge gebaut sind, ragen über dem Meer auf. Mein Blick fällt auf ein paar große, verrostete Stahlhangars, alle mit einer Doppelreihe zertrümmerter Fenster an den Seitenwänden, und Lautsprechern, die in Dreiergruppen auf die Dächer montiert sind.
    Wir fahren zu dem ersten Hangar, Richard steigt ab und inspiziert das Schiebetor. Dann stößt er es einfach auf, und schon sind wir drinnen. Der Regen trommelt auf das Stahldach, dass es mir in den Ohren dröhnt.
    Als Lauren und Richard ihre Helme abnehmen, sage ich: „Das ist der richtige Ort. Für mich bleibt die Zeit hier stehen.“
    Ryan dreht sich um und sieht mich an. Ich kann seinen Blick kaum ertragen.
    Lauren zieht Richard weg, damit wir ungestört sind, und Ryan nimmt mich in den Arm.
    Ich verwandle mich ein letztes Mal in meine wahre Gestalt und wispere: „Ich hab dir schon mal gesagt, wie dankbar ich dir bin, dass du es irgendwie geschafft hast, mich zu finden und zu lieben, als ich kein eigenes Gesicht und keinen eigenen Körper hatte. Über mehrere Leben hinweg warst du mein Fels in der Brandung, mein Freund, mein Beschützer, mein Kompass. Und du hast Recht: Einen wie dich werde ich nie wieder finden. Du warst mein Trost, mein größtes Glück und ich liebe dich, Ryan Daley, und ich danke dir. Ich werde dich immer, immer vermissen und an dich denken, bis wir uns eines Tages wiedersehen.“
    Ryan wirft den Kopf in den Nacken, als könnte er seine Gefühle irgendwie bezähmen, seine Tränen zurückdrängen.
    Ich ziehe ihn wieder zu mir herunter und küsse ihn, während der Wind durch die Stahlplanken über unseren Köpfen pfeift. Dann küsst er mein Gesicht, meine Augenlider, zieht mich an sich, weint in mein schimmerndes Haar, und sein schlanker, starker Körper bebt vor Kummer.
    „Ach wie rührend“, ertönt plötzlich eine Stimme über uns. „Und letzten Endes so vergeblich.“
    Ryan und ich erstarren vor Entsetzen, als wir Luc erblicken, der mit Gudrun und einem guten Dutzend seiner gefallenen Engel auf uns zuschwebt. Seine Schönheit ist überirdischer und strahlender denn je, das Flammenmal lodert an seiner Brust. Ich stolpere rückwärts.
    „Aus der Luft ist die verräterische Narbe, die wir alle tragen, sofort zu erkennen“, sagt er und deutet auf seine Getreuen um sich herum.
    Doch plötzlich materialisieren sich Gabriel, Michael und Uriel hinter Ryan und mir. Mit ausgebreiteten Schwingen stehen sie da, ihre Flammenschwerter hoch erhoben.
    „Ihr kommt zu spät!“, brüllt Luc, springt vor und packt mein linkes Handgelenk, reißt mich aus Ryans Armen.
    Lucs Berührung lässt die Flamme an meinem Handgelenk heller und höher flackern und ich schreie auf vor Schmerzen.
    Ryan stürzt vor, aber Gudrun verstellt ihm den Weg, drückt ihm einen ihrer langen, rot lackierten Fingernägel mitten auf die Brust. „Nein, so was Schönes!“, gurrt sie.
    „Ja, aber lästig“, faucht Luc und lässt mich abrupt los.
    In Sekundenschnelle hat er Ryan an der Kehle gepackt. Mit der anderen Hand greift er in Ryans Brust, als wollte er ihm die Seele bei lebendigem Leib herausreißen und vor uns allen verschlingen.
    „ NEIN !“, schreien Lauren und ich verzweifelt.
    Ryan verkrampft sich und stürzt keuchend zu Lucs Füßen auf den Boden.
    „Dein ganzes Leben war umsonst“, sagt er und schaut höhnisch auf Ryan hinunter, der am Boden zuckt und zittert. „Eine so wertlose und schwache Kreatur wie du kann niemals hoffen, ein Wesen wie sie zu halten. Bald werde ich ihrem Leben ein Ende setzen“, fügt er hinzu und deutet auf mich. „Und ihrem auch“ – diesmal zeigt er auf
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