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Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit
Autoren: Ilse Rothfuss
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Hirnwindungen tobt und ich nur noch aus Schmerz bestehe.
    Ich will meine Qual zum bleiernen Himmel hinaufschreien, will Lucs Wispern und Zischeln in meinem Kopf ausblenden, seine dunkle Stimme, die so leise und verführerisch ist. Du gehörst mir, immer noch, und ich werde mit dir tun, was ich will.
    Als Luc keine Verbindung zu mir spürt, keine Reaktion, keine Bestätigung, verwandelt sich die Szenerie um uns herum abrupt. Wie die Kulisse eines Theaterstücks.
    Der Boden unter unseren Füßen bäumt sich auf, als wäre er lebendig, als wäre das furchterregende Beben, das jetzt losbricht, eine physische Manifestation von Lucs Zorn. Wir stürzen in den Sand unter einem pechschwarzen Himmel. Es ist der Himmel aus meinem Traum. Ich sehe mich mit Luc im Epizentrum des Sturms aller Stürme stehen und auf die riesigen Brecher hinausschauen, die gegen das Riff klatschen, das er „den Gekrönten“ nannte. Dann schüttet es plötzlich wie aus Eimern, als wollte Luc uns an Ort und Stelle ersäufen.
    Das Meer wendet sich gegen uns, die Wellen türmen sich fast zwei Meter hoch auf, ehe sie am Ufer brechen und landeinwärts laufen. Lauren wird ins Meer hinausgezerrt, in einen wütenden, schäumenden Wasserstrudel eingesaugt. Der Sturm ist so laut, dass er ihr Schreien übertönt, und ich sehe nur ihren verzweifelt aufgerissenen Mund.
    Ryan, Richard und ich robben am Ufer hinunter, um sie herauszuziehen, aber die Wellen schleudern uns herum, bis wir völlig die Orientierung verlieren. Lauren wird immer weiter hinausgezogen, auf die Klippen zu.
    Doch plötzlich sind sie unter uns, die Meinen. So weit das Auge reicht, schwärmen sie am Strand aus. Sie kommen in all ihrer Glorie, ihr Licht durchdringt die Dunkelheit, strahlt heller als die Blitze, die ins Wasser einschlagen und die tödlichen Krallen des Riffs erleuchten. Der Sturm kann ihnen nichts anhaben, weder den niedrigsten Malachim noch dem Erzengel Michael höchstpersönlich, unserem Vizekönig, der im Auftrag unseres abwesenden Vaters regiert. Das Wasser verbrennt, verdunstet, ehe es sie auch nur benetzen kann.
    Und nun gleitet Michael durch die wütende Dünung, trägt Lauren zum Strand hinauf, zu der Stelle, an der Richard kniet.
    Dann geht er ins Wasser zurück und alle unsere Mächte folgen ihm. Wellen, gut drei Meter hoch, dann fünf, schlagen über ihnen zusammen, während sie ruhig und ohne Straucheln zum Riff hinauswandern.
    Wir vier kauern uns am Strand zusammen wie eine durchnässte Viehherde und schauen zu. Alles in mir sehnt sich danach, bei den Meinen zu sein, will sich verwandeln, sodass ich meine Wut mit eigenen Händen an Luc auslassen kann, aber ich darf nicht. Ich muss mich an den Plan halten, mich ein letztes Mal als Mensch tarnen.
    Die Wellen jenseits des Riffs schwellen weiter an, bis sie zehn, ja fast zwanzig, fünfundzwanzig Meter erreichen. Dann geraten auch die tödlichen schwarzen Riffklauen in Bewegung. Das ganze Riff, dem der Coronado Beach seinen Namen verdankt – „Coronado“ – „Der Gekrönte“ –, bäumt sich in der Brandung auf und das Wasser stürzt von den scharf geschliffenen Kanten herab. Raphael ist an die schwarze Krone gefesselt, mit Feuerketten, die kreuz und quer in seinen Körper einschneiden.
    Dann erstarrt alles, die Zeit steht still.
    Kein Wind, kein Regen mehr, selbst das Meer ist glatt wie Glas, und die Wellen hinter dem Riff – dreißig Meter hohe Ungetüme – sind gefroren wie Eisberge.
    Und jetzt kommen sie, Luc und seine Streitkräfte – Tausende von geflügelten, gesichtslosen Monstern, missgestaltete Kreaturen, die von ihm und seinen Mitverbannten nach ihrem Gusto erschaffen wurden. Hier und da leuchtet eine Schar gefallener Engel in der hässlichen Masse auf, die sich am Sockel des Riffs teilt und auf der anderen Seite wieder zusammenschwappt. Dann hält die Dämonenarmee vor Michael an, der seine Mächte hinter sich versammelt hat.
    Nur ein paar Hundert Meter Wasser trennen die beiden gegnerischen Hälften meines Engelsvolks, das einst einig und ganz war.
    Michaels Mächte sind weniger zahlreich, nicht mehr als dreihundert tapfere Seelen, die auf die grausamsten Schlächter treffen, die das Universum je gesehen hat. Wie sollen wir siegen, wenn wir einer solchen Höllenmacht gegenüberstehen?
    Lucs Anblick lähmt mich. Es ist der Mailänder Luc, die moderne, sexy Version, die ich nie gekannt habe, strahlend wie die Sonne, ein Typ, der alle Blicke auf sich zieht. Und selbst jetzt, da ich weiß, was er
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