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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto
Autoren: Klaus Mann
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zu Exzentrizitäten. Er wußte, daß wir unsere Kräfte für ernstere Dinge nötig haben …
    Hendrik war näher an das Fenster herangetreten. Nun sprach er auf den Menschen ein wie auf einen Kranken – wobei er es aber immerhin für geraten hielt, die Hand am Griff des Revolvers zu lassen, der sich in der Tasche seines Hausgewandes befand. »Machen Sie, daß Sie wegkommen, Mann! Ich rate es Ihnen im Guten! Ein Diener könnte Sie von unten sehen. Es ist jeden Augenblick möglich, daß meine Frau hier ins Zimmer tritt oder meine Mutter. Sie bringen sich in die ärgste Gefahr, für nichts und wieder nichts! – So verschwinden Sie doch!« rief Hendrik gereizt, da die Figur im Fensterrahmen unbeweglich blieb.
    Der Mann, statt auf Höfgens wohlmeinende Vorschläge irgend einzugehen, erwiderte mit einer Stimme, die plötzlich viel tiefer und übrigens völlig ruhig klang:
    »Erzähle deinen Freunden von der Regierung, daß Otto mir eine Stunde vor seinem Tod hat sagen lassen: ›Ich bin fester überzeugt von unserem Sieg als jemals in meinem Leben.‹ – Da war er schon am ganzen Körper zerschlagen und konnte kaum noch reden, denn er hatte den Mund voll Blut.«
    »Woher wissen Sie das?« fragte Hendrik, dessen Atem jetzt sehr hastig und etwas keuchend ging.
    »Woher ich das weiß?« Der Besucher hatte wieder das schaurig-aufgeräumte kurze Gelächter. »Von einem SA-Mann, der bis zuletzt in seiner Nähe war und der eigentlich zu uns gehört. Er hat sich alles gemerkt, was Otto in seiner letzten Stunde gesagt hat. ›Wir werden siegen!‹ hat er immer wieder gesagt. ›Wenn man so weit ist wie ich jetzt, irrt man sich nicht mehr‹, hat er gesagt. ›Wir werden siegen!‹« Der Besucher, beide Arme auf das Fenstersims gestützt, beugte den Oberkörper vor und betrachtete drohend den Hausherrn mit seinen leuchtenden grünen Augen, die vielleicht die Augen eines Wahnsinnigen waren. Hendrik fuhr zurück, von diesem Blick wie von einer Flamme getroffen, und keuchte: »Warum erzählen Sie mir das alles?!«
    »Damit deine hohen Freunde es erfahren!« rief der Mann mit einem bösen, rauhen Jubel in der Stimme. »Damit die großen Schufte es erfahren! Damit der Herr Ministerpräsident es erfährt!«
    Hendrik begann die Nerven zu verlieren. Er bekam sonderbar zuckende Gesten: seine Hände flogen zum Gesicht hinauf und sanken wieder hinab, auch seine Lippen zuckten, und seine kostbaren Augen verdrehten sich. »Was soll das alles?!« brachte er hervor und hatte ein wenig Schaum vor dem Munde. »Was beabsichtigen Sie denn eigentlich mit diesem theatralischen Scherz?! Wollen Sie mich erpressen? Wollen Sie Geld von mir? Bitte, hier ist welches!« Er griff sinnlos in die seidene Tasche seiner robe de chambre, in der sich nur der Revolver befand, keineswegs Geld. »Oder beabsichtigen Sie nur, mich einzuschüchtern? Das wird Ihnen nicht gelingen! Sie meinen wohl, ich zittere vor dem Moment, da ihr an die Herrschaft kommt – denn natürlich werdet ihr einmal herrschen!« Der Intendant redete mit weißen, zuckenden Lippen, während er flatternde Schritte, die beinahe schon Sprünge waren, durchs Zimmer tat. »Aber im Gegenteil!« rief er schrill und blieb mitten im Raum stehen. »Dann werde ich erst recht groß! Meinen Sie vielleicht, ich habe mich für diesen Fall nicht gesichert?! Oho!« triumphierte hysterisch der Intendant. »Ich habe die besten Beziehungen zu euren Kreisen! Die Kommunistische Partei schätzt mich, man ist mir zu Dank verpflichtet!«
    Hier war ein Hohngelächter die Antwort. »Das könnte dir wohl so passen«, rief der Schreckliche aus dem Fenster. »Beste Beziehungen zu unseren Kreisen! So bequem, Freundchen – so bequem machen wir es euch doch nicht! Wir haben Unversöhnlichkeit gelernt, Herr Intendant – ich bin eigens hier raufgeklettert, um dich davon zu unterrichten: daß wir die Unversöhnlichkeit gelernt haben. Unser Gedächtnis ist gut – ganz brillant ist unser Gedächtnis, Freundchen! Wir vergessen keinen! Wir wissen, welche wir als erste aufzuhängen haben!« Da konnte Hendrik nur noch kreischen: »Scheren Sie sich zum Teufel!! Wenn Sie nicht in fünf Sekunden verschwunden sind, rufe ich doch noch die Polizei – dann werden wir ja sehen, wer von uns beiden als erster hängt!«
    In seiner zitternden Wut wollte er irgend etwas nach dem Unhold schleudern; fand nichts, was ihm für diesen Zweck geeignet schien, und riß sich die Hornbrille von der Nase. Mit einem krächzenden Aufschrei warf er die
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