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Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd
Autoren: Stephen King
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Richards zu. Sein Gesicht war glatt, kalt und leer. Programmiert, schoss es Richards durch den Kopf.
    »Bleib da stehen, mein Hübscher!«, sagte Richards und bewegte seine Hand leicht unter seiner Jacke. »Der Mann dort befindet sich in Sicherheit auf dem Boden. Sie sind es, der zum Mond geschossen wird.«
    Einen winzigen Moment schien Donahue zu zögern, und für den Bruchteil einer Sekunde blitzte Unsicherheit in seinen Augen auf, doch dann schritt er unbeirrt weiter. Er hätte an der Côte d’Azur promenieren … oder auf einen wimmernden, am Ende einer Sackgasse kauernden Homosexuellen zugehen können.
    Richards erwog kurz, den Fallschirm zu packen und damit zu fliehen. Hoffnungslos. Fliehen? Wohin? Die Toilette am Ende der dritten Klasse wäre seine Endstation.
    »Wir sehen uns in der Hölle wieder«, sagte er leise und tat so, als zöge er an einem Ring. Diesmal war die Reaktion ein bisschen befriedigender. Donahue stöhnte leise auf und schlug die Hände vors Gesicht. Eine instinktive Geste, die so alt war wie die Menschheit. Als er seine Hände wieder runternahm und feststellte, dass er sich immer noch unter den Lebenden befand, sah er verlegen und sehr wütend aus.
    Richards zog Amelias Handtasche unter seiner verschmutzten, zerrissenen Jacke hervor und warf sie Donahue an die Brust. Dann landete sie wie ein toter Vogel vor seinen Füßen. Richards’ Hand war schweißnass. Als sie wieder auf seinem Knie lag, wirkte sie seltsam weiß und fremd. Donahue hob die Tasche auf, durchsuchte sie flüchtig und reichte sie dann Amelia. Richards empfand eine dumpfe Art von Trauer, als er ihm dabei zusah. Irgendwie war es, als hätte er einen alten Freund verloren.
    »Bumm«, sagte er leise.

… Minus 014 Countdown läuft …
     
    »Ihr Junge ist sehr gut«, sagte Richards müde, als Donahue sich wieder zurückgezogen hatte. »Ich hab ihn immerhin dazu gebracht zusammenzuzucken, aber ich hatte gehofft, er würde einpinkeln.« Ihm fiel auf, dass er anfing, alles doppelt zu sehen. Es kam und ging. Vorsichtig untersuchte er seine Wunde noch einmal. Sie war schon wieder fast verschorft. »Und was nun?«, fragte er. »Haben Sie am Flughafen schon die Kameras aufgebaut, damit jeder zusehen kann, wie der Desperado den Löffel abgibt?«
    »Kommen wir zu unserem Handel«, sagte Killian leise. Sein Gesicht war dunkel, unergründlich. Aber Richards spürte, dass die Information, die er zurückgehalten hatte, jetzt dicht unter der Oberfläche war. Und plötzlich überkam ihn wieder Angst. Am liebsten hätte er den Bildschirm abgeschaltet. Er wollte es nicht mehr hören. Innerlich zitterte er auf einmal ganz fürchterlich – ein regelrechtes Beben. Aber er konnte nicht abschalten. Natürlich nicht. Schließlich kostete es nichts.
    »Weiche von mir, Satan«, sagte er mit belegter Stimme.
    »Wie bitte?« Killian sah verwirrt aus.
    »Ach nichts. Was wollen Sie mir sagen?«
    Killian antwortete nicht. Er sah aufmerksam auf seine Hände hinunter und dann wieder in die Kamera. In einer unbekannten Kammer seines Gehirns meldete sich jetzt eine starke Vorahnung. Er hatte das Gefühl, als riefen die Geister der Armen und der Namenlosen, der Betrunkenen, die in den Gassen schliefen, seinen Namen.
    »McCone hat ausgespielt«, sagte Killian leise. »Das wissen Sie selbst, denn Sie haben ihn fertiggemacht. Sie haben ihn geknackt wie ein Ei mit einer weichen Schale. Wir möchten, dass Sie seinen Platz einnehmen.«
    Richards, der geglaubt hatte, dass ihn gar nichts mehr erschüttern könnte, stellte fest, dass er ungläubig mit offenem Mund dasaß. Das war eine Lüge. Musste eine sein. Und trotzdem – Amelia hatte ihre Tasche zurück. Sie hatten keinen Grund mehr, zu lügen oder ihm etwas vorzumachen. Er war schwer verletzt und allein. Sowohl McCone als auch Donahue waren bewaffnet. Eine Kugel, sauber hinter seinem Ohr durch den Kopf geschossen, hätte die Geschichte ohne Aufsehen, Aufregung und Durcheinander beendet.
    Schlussfolgerung: Killian verkündete die reine Wahrheit.
    »Sie sind verrückt«, murmelte er.
    »Nein. Sie sind der beste Kandidat, den wir je hatten. Und der beste Kandidat kennt auch die besten Verstecke. Wenn Sie die Augen ein bisschen aufmachen, werden Sie sehen, dass die Menschenjagd noch zu einem anderen Zweck konzipiert wurde, als die Massen zu unterhalten und die Gesellschaft von gefährlichen Objekten zu befreien. Richards, das Network ist auf der Suche nach neuen, unverbrauchten Talenten. Das muss es
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