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Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd
Autoren: Stephen King
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Blödmann entpuppt. Er musste an einen Jungen aus seiner Highschool-Zeit denken, der aufgestanden war, um den Schwur auf die Flagge zu sprechen, dem dabei die Hose runtergerutscht war.
    Das Flugzeug brummte immer weiter. Er fiel in einen Halbschlaf, in dem ihn wieder die Bilder der vergangenen Ereignisse heimsuchten, ohne die Spur eines Gefühls.
    Dann ein letztes Bild aus seinem Album: ein zwanzig mal vierundzwanzig Zentimeter großes Hochglanzfoto, von einem gelangweilten Polizeifotografen aufgenommen, der vielleicht Kaugummi gekaut hatte. Beweisstück C, meine Damen und Herren Geschworene. Ein verstümmelter, zerschnittener Babykörper in einem blutüberströmten Kinderbett. Splitter und Risse an der billigen Stuckwand dahinter und das zerbrochene Mother-Goose-Telefon, das er für zehn Cent gekauft hatte. Ein großer klebriger Blutfleck auf dem einäugigen Teddybär aus zweiter Hand.
    Er schrak aus seinen Träumen auf und saß aufrecht im Sitz. Aus seinem weit offenen Mund löste sich ein durchdringender Schrei. Der Druck aus seiner Lunge war so stark, dass die Zunge wie ein Segel im Mund flatterte. Jedes Ding in diesem Erste-Klasse-Abteil stand plötzlich klar und klagend real vor ihm, überwältigend und furchtbar. Es hatte die körnige Realität eines Filmausschnitts. Zum Beispiel das Bild, wie man Laughlin aus dem Geräteschuppen in Topeka gezogen hatte. Alles, alles war sehr real und in Technicolor.
    Amelia schrie gleichzeitig angsterfüllt mit ihm los, zusammengesunken in ihrem Sitz, mit weit aufgerissenen Augen, die wie zerbrochene Porzellantürknöpfe wirkten, versuchte sie sich die Faust in den Mund zu stopfen.
    Donahue kam durch die Bordküche gerannt. Seine Augen waren kleine begeisterte schwarze Perlen. »Was ist los? Was ist passiert? McCone?«
    »Nichts«, sagte Richards. Sein Herzschlag beruhigte sich gerade so weit, dass er die Worte herausbringen konnte, ohne dass sie gequetscht und verzweifelt klangen. »Ein schlechter Traum. Meine kleine Tochter.«
    »Oh.« Donahues Augen versuchten Mitleid zum Ausdruck zu bringen. Es gelang ihm nicht sehr gut. Vermutlich würde er sein ganzes Leben ein Schlägertyp bleiben. Vielleicht würde er dazulernen. Er wandte sich ab, um zu gehen.
    »Donahue?«
    Donahue drehte sich misstrauisch um.
    »Ich hab Ihnen einen ganz schönen Schrecken eingejagt, nicht wahr?«
    »Nein.« Donahue wandte sich mit diesem kurzen Wort ab. An seinem Nacken traten die Muskeln hervor. Sein Hintern in der knappen blauen Uniform war so hübsch wie der eines Mädchens.
    »Ich kann Ihnen noch mehr Angst einjagen«, sagte Richards. »Ich könnte zum Beispiel drohen, Ihnen den Nasenfilter herauszureißen.«
    Exeunt Donahue.
    Richards schloss müde die Augen. Das Polizeifoto tauchte wieder auf. Öffnete sie. Schloss sie. Kein Polizeifoto. Er wartete, und als er sich sicher war, dass es nicht wiederkommen würde (zumindest nicht sofort), beugte er sich vor und schaltete das Free-Vee ein.
    Dan Killian erschien auf dem Bildschirm.

… Minus 011 Countdown läuft …
     
    »Richards?« Killian beugte sich vor und machte keinen Versuch, seine Spannung zu verbergen.
    »Ich habe mich dazu entschlossen, anzunehmen«, sagte Richards.
    Killian lehnte sich zurück. Nur seine Augen lächelten in seinem dunklen Gesicht. »Ich freue mich sehr«, sagte er.

… Minus 010 Countdown läuft …
     
    »Donnerwetter«, sagte Richards. Er stand im Eingang zum Reich der Piloten.
    Holloway drehte sich um. »Hallo.« Er hatte gerade mit etwas gesprochen, das er Detroit-VOR nannte. Duninger trank Kaffee.
    Die beiden Kontrollkonsolen waren unbeaufsichtigt. Aber sie rasselten, blinkten und schalteten, als würden sie von Geisterhänden und -füßen bedient. Hebel bewegten sich. Lichter blinkten auf, eine ständige Kommunikation fand statt – die Frage war bloß, mit wem?
    »Wer fährt eigentlich den Bus?«, fragte Richards fasziniert.
    »Otto«, sagte Duninger.
    »Otto?«
    »Otto, der ottomatische Pilot. Verstehen Sie? Ein Scheißwitz.« Duninger lächelte plötzlich. »Ich freue mich, Sie in unserem Team begrüßen zu dürfen. Sie werden es nicht glauben, aber ein paar von uns haben Ihnen ziemlich fest die Daumen gedrückt.«
    Richards nickte unverbindlich.
    Holloway gab sich Mühe, die unangenehme Stille zu überbrücken. »Otto erstaunt mich auch jedes Mal wieder. Selbst nach zwanzig Jahren. Aber er ist todsicher. Und sehr klug. Er lässt einen von den alten Flugautomaten aussehen wie … na ja, wie eine
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