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Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd
Autoren: Stephen King
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sein.«
    Richards versuchte, etwas zu sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Die Angst war immer noch in ihm, sie wurde breiter, größer, dicker.
    »Es hat aber noch nie einen Chefjäger mit Familie gegeben«, sagte er schließlich. »Sie sollten wissen, warum. Die Gefahr der Erpressung …«
    »Ben«, sagte Killian unendlich sanft, »Ihre Frau und Ihre Tochter sind tot. Sie sind schon seit mehr als zehn Tagen tot.«

… Minus 013 Countdown läuft …
     
    Dan Killian sprach zu ihm, hatte wohl schon eine ganze Weile geredet, aber Richards hörte ihn nur aus weiter Ferne, seine Stimme wurde von einem komischen Echo in seinem Kopf verzerrt. Es war, als säße er in einem tiefen Brunnen und jemand riefe hinunter. In ihm war es mit einem Schlag dunkel geworden, und diese Dunkelheit diente als Hintergrund für eine Serie von Fotografien und Bildern, die nun an seinem inneren Auge vorbeizogen. Eine alte Kodak-Aufnahme von Sheila als Studentin an der Trade High, wie sie mit einem Block unter dem Arm durch den Flur schlendert. Damals waren die Mikroröcke gerade wieder in Mode gekommen. Ein Standbild von ihnen beiden, wie sie am Ende der Bay Pier (Eintritt: frei) sitzen, mit dem Rücken zur Kamera, und aufs Wasser hinausschauen. Händchen haltend. Ein sepiafarbenes Foto von einem jungen Mann in einem schlecht sitzenden Anzug und einer kleinen Frau im besten Kleid ihrer Mutter – für diesen Zweck hochgesteckt – vor einem Friedensrichter mit einer dicken Warze auf der Nase. Sie hatten in der Hochzeitsnacht über diese Warze gekichert. Ein Schwarz-Weiß-Schnappschuss eines Mannes mit schweißbedecktem Oberkörper, der eine weiße Bleischürze umgebunden hat und in einem gruftartigen, mit Bogenlampen erleuchteten Keller an den schweren Getrieben der GA-Maschinen arbeitet. Ein mit Weichzeichner aufgenommenes Farbfoto (damit die trostlose Umgebung nicht so ins Auge fällt) von einer jungen Frau mit einem riesigen Bauch, die am Fenster steht, den zerrissenen Vorhang zur Seite schiebt und nach ihrem Mann Ausschau hält. Das Licht spielt wie eine samtene Katzenpfote auf ihrer Wange. Das letzte Bild: noch eine altmodische Kodak-Aufnahme von einem mageren Burschen, der ein winziges Bündel von einem Baby hoch über den Kopf hält, eine Geste, in der sich auf seltsame Weise Triumph und Liebe mischen, sein Gesicht von einem großen Gewinnergrinsen gezeichnet. Die Bilder rauschten immer schneller an ihm vorbei, wirbelten herum und verschwanden, aber sie brachten ihm kein Gefühl von Trauer oder Liebe oder Verlust, noch nicht, nein, nur eine kühle Taubheit, als hätte er Novocain geschluckt.
    Killian versicherte ihm, dass das Network mit ihrem Tod nichts zu tun habe, es sei ein furchtbarer Unfall gewesen. Richards glaubte ihm – nicht nur, weil die Geschichte zu sehr nach einer Lüge klang, um nicht wahr zu sein, sondern weil Killian wusste, dass sein erster Schritt, sollte er den Job als Chefjäger annehmen, ihn nach Co-Op City führen würde, wo er innerhalb von einer Stunde erfahren würde, was sich tatsächlich abgespielt hatte.
    Herumtreiber. Gleich drei auf einmal. (Oder Freier?, fragte er sich gequält. Sheila hatte bei ihrem letzten Telefongespräch leicht ausweichend geklungen, als wollte sie etwas verbergen.) Wahrscheinlich waren sie auf irgendeiner Droge gewesen. Vielleicht hatten sie eine drohende Bewegung Cathy gegenüber gemacht, und Sheila hatte versucht, ihre Tochter zu schützen. Beide waren durch Stichwunden gestorben.
    Das brachte ihn wieder zur Besinnung. »Speisen Sie mich nicht mit so einem Scheiß ab!«, schrie er plötzlich. Amelia zuckte zurück und verbarg ihr Gesicht in beiden Händen. »Was ist passiert? Sagen Sie mir, was passiert ist.«
    »Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen. Auf Ihre Frau ist mehr als sechzigmal eingestochen worden.«
    »Cathy«, sagte Richards mit ausdrucksloser Stimme, und Killian zuckte zusammen.
    »Ben, möchten Sie ein bisschen Zeit haben, um darüber nachzudenken?«
    »Ja. Ja, das wäre gut.«
    »Es tut mir schrecklich leid, mein Freund. Ich schwöre bei meiner Mutter, dass wir nichts damit zu tun hatten. Wir hätten es so geregelt, dass wir die beiden von Ihnen getrennt hätten, mit einem Besuchsrecht, falls Sie unseren Vorschlag angenommen hätten. Ein Mann arbeitet nicht freiwillig für die Leute, die seine Familie abgeschlachtet haben. Das ist uns klar.«
    »Ich brauche Zeit, um nachzudenken.«
    »Als Chefjäger«, fuhr Killian leise fort, »könnten Sie sich diese
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