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Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus

Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus

Titel: Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus
Autoren: Martin Clauß
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noch keine zwei Wochen dort, als er anfing, im Haus herumzufragen. Alles über seine Vormieterin wollte er wissen. Von Zander hatte er erfahren, dass man sie tot in der Wohnung aufgefunden hatte, und von den anderen erfuhr er nun, in welchem außergewöhnlichen Zustand sich ihre Leiche befunden hatte.
    „Fleischlos wie ein abgenagtes Hühnchen“, klärte ihn jemand auf. „Die Polizei hat nichts herausgefunden. Keine Spuren eines Kampfes, keine Mordwaffe, nichts. Natürlich konnte man über die Todesursache nichts Genaues mehr sagen. Ohne Fleisch keine Obduktion, verstehen Sie? Knochenbrüche hatte sie jedenfalls keine.“
    „Gab es überhaupt keine Spuren, dass jemand eingedrungen ist?“, hakte der Maler noch einmal nach. „Ein geknacktes Schloss, ein geöffnetes Fenster?“
    „Das Schloss war intakt“, lautete die Antwort. „In der Wohnung fand man nur eine Menge Katzenhaare, besonders viele um den Sessel herum, in dem sie starb. Was nichts Ungewöhnliches ist. Schließlich hatte sie eine kleine Katze.“
    „Eine Katze“, wiederholte der Maler.
    „Eher ein Kätzchen. Rötliche Haare, ein süßes Ding. Schleicht manchmal noch in der Gegend herum. Manchmal sitzt sie auf der Mauer vom Nachbargrundstück. Armes Ding – aber es sieht so aus, als hätte sich jemand anderes ihrer angenommen. Irgendeiner der Nachbarn.“
    Ein paar Tage und ein weiteres unverkäufliches Rohr-Bild später hörte der Maler zum ersten Mal vom Menschenfresser.
    Eine kleine, dickliche Alte aus dem Erdgeschoss berichtete ihm von dieser furchtbaren Gestalt.
    „Großgewachsen, dunkler Mantel, breitkrempiger Hut. Schleicht fast lautlos durchs Treppenhaus. War öfters hier in den Monaten, in denen die Birk-Wohnung leer stand. Entschuldigen Sie, wenn ich sie noch so nenne – jetzt ist es ja Ihre, aber für mich wird es immer die Birk-Wohnung bleiben.“
    „Dieser Mann … wohnt nicht hier?“
    „Oh nein, er gehört nicht zu uns. Und das weiß ich, obwohl ich sein Gesicht nie gesehen habe. Er hat so etwas an sich … etwas Fremdes, Unheimliches. Er kommt nur spät nachts. Einmal hat Herr Zander ihn gesehen und ist ihm nachgerannt. Na ja, unser Hausverwalter ist nicht der Schnellste, und bis er ganz oben war, war der Menschenfresser verschwunden.“
    „Wohin denn?“
    „Das ist es ja! Er hat sich einfach in Luft aufgelöst.“
    „Könnte er nicht in eine der Wohnungen gegangen sein?“
    „Dann hätte es doch jemand bemerkt. Wir sperren hier alle unsere Türen ab.“
    „Und meine Wohnung?“
    „Die war ebenfalls verriegelt, während sie leer stand.“
    „Warum nennen Sie ihn eigentlich den Menschenfresser?“
    „Weil er die Birk gefressen hat. Ich bin überzeugt davon. Wissen Sie, wie man sie gefunden hat?“
    „Ich habe es gehört.“
    Die Alte nickte langsam und verschwörerisch. „Sehen Sie. So etwas geschieht nicht von alleine. Ganz gleich, was man für eine Krankheit hat oder ob man hundert Jahre alt ist – das Fleisch fällt einem nicht einfach von den Knochen, wenn man stirbt. Meine älteste Schwester ist mit Neunundneunzig gestorben, man hat sie sechs Tage lang aufgebahrt, ehe man sie beerdigte, und sie sah noch frisch und … saftig aus, als wir ihren Sarg zumachten.“
    „Ich verstehe.“ Der Maler hustete. „Das ist beunruhigend. Ich glaube, ich sollte mir Sorgen machen. Weil ich ja jetzt in derselben Wohnung wohne. Und weil Sie sagen, der Mann, dieser … Menschenfresser kam später noch mehrmals ins Haus.“
    „Ja, ich denke, er sucht sich ein neues Opfer. Er ist beim ersten Mal unbehelligt davongekommen. Und jetzt juckt es ihn wieder. Er ist ein kranker Mann, eine Bestie. Aber ich glaube nicht, dass es etwas mit der Wohnung zu tun hat. Es kann uns alle treffen, Sie oder mich oder einen von den anderen. Sperren Sie immer Ihre Tür ab?“
    „Ab heute mit Sicherheit“, erwiderte der Maler. „Übrigens, eine Frage noch: Hören Sie auch manchmal Geräusche in Ihrer Wohnung?“
    Die Alte sah ihn an. „Geräusche? Nein. Und meine Ohren sind noch wie neu.“
    „Und Schatten? Sehen Sie keine Schatten in den Augenwinkeln?“
    Ihr Gesicht verfinsterte sich. „Ich würde an Ihrer Stelle einen Arzt aufsuchen, mein Lieber. Das sind die Nerven.“
    „Wenn es tatsächlich die Nerven sind, dann sollte ich vielleicht lieber hier ausziehen“, meinte der Maler. Er sagte es schalkhaft, aber er meinte es ernst.
    Und drei Wochen später zog er tatsächlich aus.
    Den Menschenfresser hatte er nicht gesehen, obwohl er öfters
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