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Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus

Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus

Titel: Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus
Autoren: Martin Clauß
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mal nach ihm Ausschau hielt, abends im Treppenhaus oder in dem winzigen Vorgarten vor dem Gebäude. Niemand nahm es ihm übel, wenn er spionierte. Die anderen Bewohner grüßten ihn freundlich, wenn sie einmal spät abends nach Hause kamen, wünschten ihm viel Glück für die Jagd nach dem Menschenfresser und dankten ihm, dass er etwas zur Sicherheit des Hauses beitrug.
    Den gefürchteten Mann mit dem breitkrempigen Hut sah er also nicht. Dafür hörte er häufig ein Kratzen in den Zimmerecken, ein Schaben, das aus den Wänden zu kommen schien. Manchmal klang es, als würden Bretter verschoben werden, kleine Türchen klappern. Er stand nachts auf und durchsuchte das Innere der Schränke nach Geheimtüren. Es gab keine.
    War es nicht möglich, dass der Menschenfresser über einen geheimen Zugang in die Wohnung gekommen war? Dann nützte es auch nichts, die Tür abzuschließen.
    Also zog er aus, als ihm die Belastung zu viel wurde und er nachts nicht mehr schlafen konnte. Herr Zander und ein anderer Hausbewohner halfen ihm beim Umzug, und als er eben seine letzten Habseligkeiten aus der Wohnung schaffte, sah man eine rothaarige Katze durch das Fenster ins Wohnzimmer hüpfen. Sie huschte den Flur entlang, an den Menschen vorbei ins Treppenhaus.
    „Die Katze der Birk“, sagte Zander ruhig. „Vielleicht war sie es, die Sie manchmal gehört haben. Katzen haben ihre geheimen Wege.“ Das Tier hielt einen Moment inne, der hagere Hausverwalter ging stöhnend in die Knie und streckte die Hand nach der Katze aus. Diese schnupperte daran, versteinerte, zuckte dann zusammen, als hätte sie etwas gehört, was niemand von ihnen wahrnehmen konnte, und jagte davon. Ihre Bewegungen waren von einer unglaublichen Behändigkeit.
    „Ja, vielleicht war sie es“, erwiderte der Maler und musste lachen.
    „Wenn Sie wollen, können Sie es sich noch einmal überlegen und hier bleiben.“
    „Nein … nein, danke. Es ist besser, ich gehe. Meine Sachen sind schon unten.“
    „Sie mögen keine Katzen?“
    Darauf gab er keine Antwort. Die Katze störte ihn nicht. Was ihn störte, war das merkwürdige Gefühl, das ihn jedes Mal beschlich, wenn er das Wohnzimmer betrat und sich vorstellte, wie man die alte Frau Birk gefunden hatte. Nicht, dass sie in seiner Wohnung gestorben war, bedrückte ihn, sondern dass er sich jedes Mal aufs Neue fragte, was sie so zugerichtet haben konnte, dass nur noch das blanke Skelett von ihr übrig geblieben war. Er konnte nichts dagegen tun – es beschäftigte ihn. Am Ende hatte er seine Bilder nur noch im Schlafzimmer gemalt, was keine Dauerlösung war. Die Dämpfe der Ölfarben und des Lösungsmittels stanken so entsetzlich, dass er unwillkürlich überlegte, ob er nicht auf dem besten Wege war, selbst zum Skelett zu werden.
    Da blieb nur die Flucht.

3
    November 2004
    Es war 23 Uhr. Niemand war auf sein Zimmer gegangen, alle hatten sie sich in der Halle versammelt. Felipe hatte im offenen Kamin ein Feuer entzündet, um das sich jetzt einige von ihnen scharten.
    Als Werner aus dem Untergeschoss kam, sah er aus wie ein Mann, dem eben seine Todesstunde prophezeit worden war. Sein Blick flackerte, sein Gesicht war fleckig. Er strich sich über die Glatze, die nun von einem Schatten bedeckt zu sein schien. Jaqueline Beck, die schon eine ganze Weile allein in einer Ecke stand und nachgrübelte, näherte sich ihm.
    „Du hast mit dem Doktor gesprochen“, stellte der weibliche Schulprimus fest. „Ich sehe nicht, was dich daran so konsterniert haben könnte.“
    Auch die anderen wandten sich ihm zu, unterbrachen ihre Gespräche. In dem gedämpften Licht zeichneten sich ein Dutzend Schatten gegen das tiefgelbe Prasseln des Kaminfeuers ab.
    „Dr. Konzelmann ist brutal zusammengeschlagen worden“, verkündete der Rektor mit brüchiger Stimme. Nun verstummten auch die letzten Stimmen und Geräusche. Die meisten Studenten trugen ungläubige Mienen, als fragten sie sich, ob sie sich wohl verhört hatten. „Jemand hielt ihn für das Phantom und wollte ihn bestrafen … oder warnen. Der Doktor weiß, wer es getan hat, aber er weigert sich, es zu sagen.“
    Geistesgegenwärtig sah sich Jaqueline um. In solchen Situationen reagierte sie sehr schnell. Zeichnete sich auf einem der Gesichter eine Regung ab? Beobachten konnte sie gut, aber es waren zu viele Menschen, zu komplizierte, überraschte Mienen, um verdächtige Regungen auffangen zu können.
    „Einer … von uns?“, wollte Sanjay wissen. Sie und Margarete Maus waren
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